Ein Macho auf Abwegen
Regung. Erst als er bemerkte, dass sie scheinbar fertig
war, sagte er kurz. „Weiter! Bitte sprechen Sie weiter, Frau Klasen! Nur keine
falsche Zurückhaltung!“
„Ich weiß nicht, was Ihnen diese jungen Frauen geben können,
außer aufregenden Bettgeschichten, Herr Stevens. Über was reden Sie zum
Beispiel mit Spaghetti-Moni? Über Politik, Wirtschaft oder das, was Sie alles
gelesen haben oder gar über Ihre beruflichen Pläne?“
Er verneinte kaum vernehmbar. „Mit de Moni wat reden?
Vielleicht übber andere Leute und übber Geld ausgeben. Mehr is da nich, Frolln
Klasen!“
Mia war inzwischen unbemerkt in die Küche zurückgekommen.
„Diese Mädchen tun den sein Konto und de Kreditkarte lieben, abber mit den Marc
hat dat allet nich viel zu tun! Wenn se sagen tun: Ich liebe dich, Marc! Dann
meinen die abber: Ich liebe deine Kohle und sonst ga nix!“
Christina hatte das Gefühl, als müsste sie ihren Chef
verteidigen. „Ich gehe davon aus, dass Herr Stevens das sehr wohl weiß, Frau
Meckenstock.“ Sie sah Stevens wieder an. „Sie haben etwas Besseres verdient,
Herr Stevens! Lassen Sie sich bitte nicht weiter auf Sexgeschichten reduzieren!
Sie haben vorhin selber gesagt, dass Sie das eigentlich gar nicht wollen. Aber
wer soll Ihnen das noch abnehmen? Das hört sich genauso an, als würde eine
Pornodarstellerin sich beschweren, dass niemand ihre schauspielerische Leistung
anerkennt, und man sie nur auf ihren Körper reduziert. Die Leute denken doch:
Was will die denn? Dann soll die sich doch auch einmal so verhalten, dass sie
eine wirkliche Schauspielerin ist. Und Sie sollten sich auch auf Ihr Können
konzentrieren. Machen Sie tolle Produktionen, singen Sie und gehen Sie auf die
Bühne! – Und machen Sie sich einmal Gedanken über sich selbst und Ihr
Verhalten! Wenn Sie allerdings mit diesen Zuständen glücklich und zufrieden
sind, dann machen Sie so weiter!“
Mia war unterdessen wieder weg, und Christina wollte die
Stimmung etwas auflockern. Stevens saß wie ein begossener Pudel vor ihr, und
sein Zustand gefiel ihr gar nicht. Hoffentlich hatte sie sich nicht zu sehr
eingemischt! Aber er hatte es ja so gewollt! „Also, Ihre Haushälterin wird mir
immer sympathischer, Herr Stevens. Auf die Dame können Sie sich verlassen!“ Er
sah aufrichtig zu ihr hinüber. „Ja, sie war bis vor Kurzem die einzige Person,
der ich mir sicher sein konnte. Sie ist eine wahre Freundin, wissen Sie?“
Christina fragte ganz salopp. „Und jetzt haben Sie Moni gefunden.“ Endlich
lachte er wieder. „Moni? – Nein, Frau Klasen. Dann sind SIE in mein Leben
getreten, und Sie sind, außer Mia, das einzige Wesen, das mich nicht ohne
weiteres anhimmelt und mich wie einen Normalo behandelt. Mit der ich reden
kann.“
Er war völlig ernst geworden, und seine Stimme hatte diesen
Sexy-Ton bekommen, wie auf dem Tonband. Christina wurde es ganz und gar mulmig.
Sie traute sich nicht ihn anzuschauen. Sie wusste auch so, wie er jetzt
schaute. Sie stand auf und räumte den Tisch ab. „Vielen Dank für Ihr Vertrauen,
Herr Stevens“, sagte sie leise.
Im Studio suchten sie einen Titel für Frankie Webber aus.
„Es darf auf keinen Fall etwas mit Liebe zu tun haben“, regte Christina an.
„Haben Sie nicht irgendetwas wie „Wir versaufen unser’ Oma ihr klein
Häuschen“?“ Stevens legte ein Band nach dem anderen ein. Er war wieder richtig
gut gelaunt und hatte Christina ihren Vortrag anscheinend nicht übelgenommen.
„Den lassen wir voll auflaufen, Frau Klasen. Wissen Sie, ich habe schon viele
kommen und gehen sehen. Und die, die schnell Erfolg haben wie Frankie,
verschwinden meistens genauso rasch wieder. Frankies Laufbahn im Hause Stevens
erkläre ich hiermit beendet. Er bekommt noch diesen einen Titel, und dann soll
er sich jemanden anderen suchen, dem er mit seiner Mittelmäßigkeit auf die
Nerven gehen kann!“
Christina machte sich an die Büroarbeit. Von Zeit zu Zeit
grinsten sich die beiden konspirativ an. Sie waren sozusagen ein Team, welches
Webber zum wahrscheinlichen Karriereende verhalf. Doch Christina ging Mia
Meckenstocks Satz nicht aus dem Kopf. „Ich hab schon viel von Ihnen gehört,
Frolln Klasen!“
Was hatte Stevens Vertraute über Christina gehört? Sie
musste es irgendwie herausfinden. Dieses erforderte allerdings eine
Gelegenheit, um mit der Haushälterin alleine zu sprechen.
„Herr Stevens, ich hätte Kaffeedurst. Möchten Sie auch
einen?“, erkundigte sie sich nach einer Weile. Stevens
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