Ein Macho auf Abwegen
wie zuvor, und verschwand fluchtartig aus
Christinas Schusslinie.
Für Christina war das jetzt schon das zweite kleine Ärgernis
an diesem Morgen. Marc amüsierte sich dagegen köstlich über diese Anekdote. Er
öffnete die Wagentüre. „Bitte schön, Madame“, lachte er. Unterwegs erkundigte
er sich: „Wäre denn das so schlimm gewesen?“
„Was? – Mit Ihnen eine Nacht verbracht zu haben?“, polterte
Christina entsetzt.
„Oh, nein, nein! Wenn ihre Freundin gedacht hätte, ich hätte
bei Ihnen übernachtet.“
„Dann hätte das bis spätestens heute Abend der ganze Verlag
auch gedacht, Herr Stevens!“ Gaby war zwar ihre beste Freundin, aber bei Klatsch
und Tratsch ließ sich die Kleine von nichts und niemandem aufhalten.
„Noch ein Wagen?“, fragte Christina verwundert. „Wo ist denn
der Flitzer von gestern?“ Stevens grinste. „Och, den habe ich zu Hause
gelassen. In dem Wagen hier können Sie sich wenigstens nicht über meinen
Fahrstil aufregen. Schauen Sie! Automatikgetriebe!“ Er tippte stolz auf das
Bedienelement in der Mittelkonsole. Sie schenkte ihm ein herzliches Lächeln.
„Also gut. Dann zeigen Sie mal, was der so drauf hat!“
Stevens fuhr wirklich sehr sicher und souverän. Christina
brauchte heute überhaupt nicht mitzubremsen. „Haben Sie sich das Band noch
einmal angehört?“, erkundigte er sich. Christina wollte nicht über „Durch deine
Augen schaue ich in dein Herz“ sprechen.
Was sollte sie ihm sagen? Etwa: Ich habe gestern Abend
nichts anderes mehr getan, als mir ihren Gesang anzuhören, Herr Stevens. Warum
haben Sie mir den Titel nicht kommoderweise auf beiden Seiten der Kassette
aufgenommen? Sie haben doch mit Sicherheit auf Ihrem Computer-Dingsda ein
Knöpfchen für so etwas. So musste ich das Band ständig zurücklaufen lassen. Als
es dunkel wurde, habe ich nicht einmal das Licht eingeschaltet, wissen Sie. So
wirkte Ihre Stimme noch mehr auf mich. Leider bekam ich später unerwarteten
Besuch von meinem Ex-Mann. Er besucht mich ab und zu, meistens nachts. Früher
nicht so häufig. In letzter Zeit aber immer öfter. Ehrlich gesagt, Chef,
seitdem Sie mir angefangen haben zu gefallen! Ja, ja! Der gute Ángelito ist
halt immer noch ziemlich eifersüchtig. Ha, ha, ha!
Sollte sie ihm etwa so antworten? Ne, bei aller Liebe nicht!
„Bin ich noch nicht dazu gekommen“, sagte sie stattdessen und tat lieber so,
als interessiere sie sich urplötzlich für das Navigationssystem des Wagens.
“Und das Ding kennt jede Straße?“, lenkte sie mehr oder weniger geschickt vom
Thema ab. „Ja, auch die Hausnummern.“
Eine gehörige Portion Enttäuschung klang in seiner Antwort
durch. Hatte sie sich die Kassette wirklich noch nicht angehört? „Ich werde den
Titel heute noch einmal aufnehmen. Er wird auf meinem nächsten Album
erscheinen. Webber gebe ich einen Song aus meiner
Lieder-die-die-Welt-nicht-braucht-Schublade. Ich habe gestern Abend schon eine
kleine Vorauswahl getroffen, und wir zwei werden gleich einen Titel daraus für
ihn aussuchen“, erklärte er ihr. „Ich soll mitentscheiden?“, wunderte sich
Christina. „Ja! Warum denn nicht? Sie haben ein ganz gutes Gespür für Musik.
Das haben Sie gestern eindeutig bewiesen“, lächelte er zu ihr herüber.
Heute morgen wurde die Haustüre schon von innen geöffnet, um
sie hereinzulassen. Vor Christina stand eine ältere, dickliche Frau in einer
gestärkten, weißen Spitzenschürze. Sie hatte ihr graues Haar zu einem strengen
Knoten im Nacken gedreht. Ein kleiner, ebenfalls übergewichtiger Rauhaardackel,
der Christina sofort beschnupperte, gehörte ebenfalls zum morgendlichen
Begrüßungskomitee. „Guten Morgen. Se müssen dat Frolln Klasen sein. Ich bin de
Mia Meckenstock, de Haushälterin von den Herrn Stevens, und dat is unser Willi!
Kommen Se rein, junge Frau! Ich hab ja schon so viel übber Se gehört, hörn Se
ma!“
Aha, hatte sie das?, staunte Christina.
Heute war der Kaffee bereits fertig. Das ganze Haus duftete
schon danach. In der Küche war ein herrlicher Frühstückstisch gedeckt. „Nehm Se
doch Platz, Frolln!“, forderte die alte Dame Christina freundlich auf. „Das
sieht ja alles sehr lecker aus, Frau Meckenstock. Haben Sie das alles
vorbereitet?“, fragte Christina höflich zurück. „Ja, ich hab mir gedacht, wenn
dat Frolln Klasen kommt, muss dat doch allet perfekt sein. Se sind ja
schließlich von den Fach. Greifen Se zu! Dat is allet frisch!“, versicherte ihr
die Hausangestellte. „Wenn
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