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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bronze, mit der sie sich bemalen. Ich bitte euch, Brüderchen – laßt mich zurück in die Wälder.«
    Ohne großes Erstaunen las Dr. Petermann die beiden anonymen Briefe, die ihm Abels in höchster Erregung auf den Tisch geworfen hatte. Er nickte sogar ein paarmal, schob sie zur Seite und beschwerte sie mit einem Stempelkissen.
    »Wundert dich das?« fragte er.
    »Das ist eine Infamie!« schrie Martin Abels.
    »Nein, das ist erst die Ouvertüre. Die große Sinfonie beginnt noch. Hast du erwartet, daß die Gesellschaft – oder die Leute, die sich dafür halten – deine Anuschka so einfach in die Arme schließen, nur weil sie eine Frau Abels wird? O nein, mein Lieber – diese Aktion habe ich schon früher erwartet. Nicht in dieser Form, zugegeben, aber doch massiv genug. Es begann ja schon bei deiner Party. Das hätte eine Warnung sein müssen.«
    »Warnung? Ich soll mich warnen lassen, eine Frau zu lieben, die mir mehr wert ist als alles andere auf der Welt?« Abels schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »In welchem Zeitalter leben wir denn?«
    »Im Zeitalter der Geldborniertheit, mein Lieber. Früher bestimmte der Adel den Ton. Aber der Adel ist pleite. Dafür sind die Händler ins Rennen gekommen. Wer mit Heringen im Jahr zehn Millionen macht, ist tonangebend. Die neudeutsche Aristokratie hat keine Wappen mehr, sondern Nullen auf dem Bankkonto. Und gegen diese Nullen – im übertragenen Sinne – hast du verstoßen, indem du ein Mädchen aus der Taiga gleichsetzt etwa einer Frau Dr. Faßler.«
    »Die ganze Gesellschaft kann mich kreuzweise!« schrie Abels. »Ich verzichte auf sie!«
    »Na also.« Petermann hob die Schultern. »Warum dann diese Aufregung über die Briefe? Lach drüber – und zerreiß sie.«
    »Nein!« Abels ballte die Fäuste. »Ich habe in meinem ganzen Leben nie vor einer Gefahr, einer Gemeinheit, einem Angriff kapituliert. Das weißt du. Ich bin in Sibirien eingedrungen, und ich bin wieder herausgekommen, etwas, was man für eine Utopie hielt. Und ich soll jetzt vor diesen Schmierfinken da in die Knie gehen? Nie, Ludwig!«
    »Und was willst du tun?« Rechtsanwalt Dr. Petermann ahnte nichts Gutes. Die Ideen Martin Abels' waren immer kühn gewesen – und es schien wirklich unbegreiflich, daß er bisher damit immer Erfolg gehabt hatte. Schon der Aufbau der Abels-Werke nach Martins Rückkehr aus der Gefangenschaft hatte jeden nüchternen Rechner schwindelig gemacht. Ohne eine nötige Auftragsdecke hatte Abels investiert, was nur möglich war, hatte die neuesten Maschinen angeschafft, die modernsten Drehbänke, die feinsten Präzisionswerkzeuge. Und dann kam plötzlich das große Geschäft, man verlangte Kugellager bester Qualität in aller Welt, und die Abels-Werke konnten liefern. Glück nannten es die einen, ein Wunder die anderen. Die Belegschaft nannte es Genie des Chefs. Es war keines von alledem, es war nur ein Gefühl für die Dinge, die möglich waren.
    »Ich werde eine Belohnung aussetzen!« sagte Abels hart.
    »Eine Belohnung? Wofür?«
    »Ich will die beiden Jungen haben, die die Briefe überbrachten. Sie werden mir beschreiben können, wer ihnen die Kuverts gegeben hat. Ich nehme an, daß man ihnen vielleicht fünf Mark als Botenlohn gegeben hat. Vielleicht auch zehn Mark mit dem Hinweis, zu schweigen. Oh, sie kennen mich nicht!« Abels klopfte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. »Ludwig – in allen Zeitungen, die hier gelesen werden, setzt du eine große Anzeige ein. Die beiden Jungen, die als Boten einen Brief zu Herrn Martin Abels bringen mußten, werden gebeten, sich bei Herrn Abels persönlich zu melden. Jeder von ihnen bekommt bare tausend Mark!«
    »Du bist total verrückt, Martin!« sagte Dr. Petermann erschüttert.
    »Die Ehre Anuschkas ist mir zweitausend Mark wert. Und wenn sich keiner meldet – noch eine Anzeige. Noch größer. Und für jeden zehntausend Mark.« Abels hieb mit beiden Fäusten auf den Tisch. »Ich bekomme die Schreiber heraus. Und wenn es ein Vermögen kostet.«
    »Man wird in Bremen über dich lachen.«
    »Nein. Man wird gelähmt sein vor Schrecken. Zwanzigtausend Mark verschenkt der Abels. Für zwei Jungen. Und man wird begreifen, was Anuschka mir wert ist.«
    »Und wenn du die Namen der Schreiber dann weißt?«
    »Dann werden die Deiche brechen, bei Gott!«
    »Und dann? Man wird Anuschka trotzdem nie anerkennen. Dann gerade nicht. Hier wird dann Geld gegen Geld stehen. Einfluß gegen Einfluß. Clique gegen Clique. Vor allem die

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