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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und Martin.
    »Mein Kleines«, sagte Abels stockend. Er sprach russisch … welche Sprache kann zärtlicher klingen als sie? »Mein armes Vögelchen, mein Täubchen, mein Schneeflöckchen …« Er kam an ihr Bett, und plötzlich kniete er neben ihr nieder und legte seinen Kopf auf ihre Brust. »Ich danke dir«, stammelte er. »Mehr … mehr kann ich nicht sagen.«
    »Mein Tinja.« Anuschka streichelte seine zerwühlter Haare. An den Schläfen werden sie schon weiß, dachte sie. Man sollte sie immer küssen, damit sie nicht älter werden. »Wir haben einen Pawel Jossif.«
    »Paul Josef Abels.« Martin griff ihre Hände und küßte sie. »Wo ist er?«
    »Im Säuglingszimmer. Er schläft. Man wird ihn dir zeigen.«
    Abels sah schräg hinauf zu Anuschkas Augen. »Wie … wie sieht er denn aus?« fragte er leise.
    »Wie du und Papuschka. Er wird einmal bärenstark werden.«
    »Mein Sohn!« Abels richtete sich auf und dehnte sich. »Unser Sohn! O Gott – ist diese Welt herrlich und schön!«
    Er rannte zur Tür, riß sie auf und winkte. Drei riesige Blumensträuße mit Beinen darunter schwankten ins Zimmer. Aus den Blüten und Blättern tönte die Stimme von Diener Alfons als Sprecher des Personals:
    »Wir gratulieren, gnädige Frau.«
    Anuschka lachte. Wie ein Sonnenstrahl glitt es über ihr bleiches Gesicht. Die Augen leuchteten. Sie richtete sich etwas auf und drohte Martin mit der rechten Hand.
    »Verschwender! Du mußt das Geld zusammenhalten für Pawel Jossif!« Mit einem Seufzer ließ sie sich zurückfallen in die Kissen. »Jetzt hast du andere Pflichten, Tinja … jetzt bist du ein Väterchen.«
    »Väterchen –« Martins Herz schlug heftig. Er trat an das Fenster, schob die Gardine zurück und drückte das Gesicht an die Scheibe. Es brauchte niemand zu sehen, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen.
    Über der Weser schwamm die Sonne in den Wolken. Dunst stieg aus den Niederungen, den Kanälen und Weihern. Es würde noch einmal ein heißer Tag werden … heiß wie die Sommertage in der Taiga … heiß wie jener Tag vor über neun Jahren, als zwei Menschen im Schilf der Lindja lagen, sich bei den Händen hielten und wußten, daß sie sich immer lieben würden.
    »Du bist unbegreiflich schön wie die Weite der Lena«, hatte er gesagt.
    Und sie: »Ich liebe dich.«
    Und er: »Ich werde nie weggehen aus diesem Land.«
    Und sie: »Nein, du mußt immer bei mir bleiben.«
    Hinter ihm klappte leise eine Tür.
    »Väterchen –«
    Er zuckte zusammen, aber er drehte sich nicht um.
    »Ja, mein Täubchen«, antwortete er rauh.
    »Unser Sohn!«
    Langsam drehte sich Abels um. Im Zimmer stand die Säuglingsschwester, auf den Armen ein weißes, sich bewegendes Bündel.
    Da straffte er sich, zog den Rock gerade und kam mit festen Schritten auf seinen Sohn zu.
    Der Boden zitterte unter seinem Schritt.
    Er ging wie ein Jäger aus Torusk.

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