Ein Mädchen aus Torusk
Schnee, umarmten sich kniend und weinten und küßten sich und begriffen nicht, daß es soviel Seligkeit auf dieser Welt gab.
Es war Akja, der Wolfshund, der das Wiedersehen abkürzte, aber anders als bei Marfa Umatalskaja – er sprang nicht dazwischen, sondern lief voraus zum Haus der Turganows. Olga Turganowa, das fleißige Mütterchen, kochte gerade einen Kascha und briet dazu Speck in der Pfanne, was Akja roch und ihn mutig machte. Er sprang gegen die Klinke, öffnete sich so die Tür zur Hütte und lief hinein.
Olga, am Herd stehend und den Speck in der Pfanne drehend, riß den Mund auf, denn was da hereinkam, sah ganz so aus wie ein ausgewachsener Wolf. Ein graues Feil, struppig und mit vereisten Haarspitzen. Eine aufgerissene Schnauze mit langen, spitzen Zähnen. Eine rote Zange, hechelnd und pendelnd. Grüne, starre Augen, die auf den Herd blickten und auf das Mütterchen, das unbewegt die Pfanne in der Hand hielt.
Wenn er springt, schlage ich zu, dachte sie. Heilige Mutter Gottes, es wird das erstemal sein, daß man einen Wolf mit der glühenden Bratpfanne erschlägt. Und dann schrie sie, grell und schrill, schrie »Pawel! Väterchen, komm schnell! Pawelitsch!« Und hielt die Pfanne gegen Akja, als sei sie ein Dreizack.
Der Hund blieb stehen, setzte sich dann und hob die rechte Pfote. Das war neu bei einem Wolf fand Olga Turganowa. Bei Gott, ein freundliches Tier, aber doch eine Bestie. »Pawel!« schrie sie noch einmal. »Komm her! Komm her!«
Pawel Andrejewitsch Turganow schlurfte aus dem Flur der Haus und Stall miteinander verband und blieb stehen, als er Akja mitten im Zimmer sitzen sah, in demütiger Haltung, die Schnauze hoch und schnuppernd. Das glaubt mir auch wieder keiner, dachte er sofort, ehe er mit kleinen, schleichenden Schritten zurückwich um an sein Gewehr zu gelangen, das an einem Nagel an der Wand hing. Ein Wolf, der darum bittet, erschossen zu werden. Der mitten in der Stube sitzt, wie ein Dackelchen, das Pfötchen hebt … o Mist verdammter, man würde ihn wieder auslachen und sagen: »Alterchen, laß das Spinnen. Wir sind selbst Jäger und kennen solche freundlichen Lügen.«
Pawel Andrejewitsch griff nach hinten. Ein Ruck – das Gewehr lag in der Hand. Er riß es nach vorn, schob mit dem Daumen den Sicherungsflügel zur Seite und legte an. Aber der Wolf schien das zu kennen; im gleichen Augenblick, in dem Turganow das Gewehr vom Nagel riß, machte er einen Satz zur Tür und verschwand. Pawel Andrejewitsch schoß trotzdem, die Kugel schlug in die Wandbohlen der Hütte, Pulvergeruch und Qualm durchzogen den Raum, und Olga ließ endlich die Pfanne fallen, um das längst fällige Sichbekreuzen nachzuholen.
»Ihm nach!« brüllte Turganow und rannte aus der Hütte.
Dort, vor der Tür, fesselte ihn ein neues Bild. Im Schnee kniete sein Täubchen Anuschka und küßte und herzte einen bärtigen, struppigen Mann, der ebenfalls auf den Knien lag. Und hinter dem Mann, in guter Deckung, stand der Wolf und winselte.
Pawel Andrejewitsch Turganow stellte die Flinte auf seine Stiefelspitzen und überzeugte sich so, daß er weder träumte noch daß der Wodka Unjeskis, den er vorgestern eingetauscht hatte, schlecht gewesen war und ihm Halluzinationen herbeizauberte.
»Hoij!« brüllte er mit seiner mächtigen Stimme. »Auseinander! Was soll das? Anuschka! Bist du verrückt?«
Nun erschien auch Olga in der Tür, erfaßte das Bild ihrer küssenden Tochter und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
»Er ist gekommen!« rief sie, und plötzlich weinte sie sogar. »Er ist wieder da! O Gott! O Maria! O mein Herz!«
Turganow sah seine Olga dumm an und bewies damit, daß Frauen schneller denken als Männer. Er begriff nicht, er erkannte nichts und war erschrocken über das Geheul, das Olga aus tiefster Seele anstimmte, wobei sie ihre Schürze an die Augen drückte. Immer wieder jammerte sie: »Er ist da! O Maria! O Mutter Gottes! Mein glückliches Vögelchen!«
»Wer ist da?« schnauzte Pawel Andrejewitsch und nahm seine Flinte wieder hoch. »Wer ist der Kerl, der Anuschka anfaßt? Kennst du ihn etwa? Ich brenne ihm eins aufs Fell.«
»Tinja ist's, du Idiot!« weinte Olgaschka, das Mütterchen. »Martin, unser Martin, du Esel!«
Turganow wurde es weich in den Knien. Wer weiß, was in den vergangenen Jahren alles in Torusk geschehen war, kann das verstehen. Neunmal hatte sich ein Freier für Anuschka eingestellt, dreimal hatte Turganow selbst einen mitgebracht. Kräftige, anständige Kerle,
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