Ein Magier im Monsterland
kam der Greif wieder zu sich. »Wer immer mir das angetan hat, wird den Zorn – urk!«
»Dank Euch, Hendrek«, ließ sich mein Meister vernehmen.
»Verdammnis«, erwiderte der Krieger.
Draußen in der Menge hörte man verschiedene Rufe. Wieder schlossen sich die Monster enger um die Bühne zusammen. Sie waren ein unfreundliches Publikum gewesen und würden nun, so zumindest meine Befürchtung, noch wesentlich unfreundlicher werden.
Der Drache räusperte sich, so daß kleine Flammenzungen um seine Zähne spielten.
»Hört mir zu, Leute«, ließ er sich vernehmen. »Ich möchte hier etwas klarstellen: Ich bin ein Drache.«
»Klar, du hast gut reden!« rief jemand. »Du hast schon deine Jungfrau.«
»Ja!« ertönte eine andere Stimme. »Wie mag sie wohl mit grob gestoßenem Salz schmecken?«
Der Drache röhrte und stieß eine mächtige Flammensäule dreißig Fuß hoch in die Luft.
Es schien die Schwätzer in der Menge zum Verstummen zu bringen.
»Wie ich bereits sagte«, fuhr Hubert fort, »bin ich ein Drache. Ihr seid kein Drache. Noch irgendwelche Fragen?«
»Ja!« kam es aus den hinteren Reihen. »Du bist der Drache, aber du bist nur ein Drache. Wir von M.I.S.T. e.V. dagegen sind viele!«
»Mist? Na ja, egal. Seht, Leute, wollen wir wirklich massenhaftes Blutvergießen, zerfranste Fleischfetzen und diesen ganzen morbiden Kram? Oder wollen wir lieber eine Show sehen?«
»Eine Show?« fragte der Hippogreif.
»Genau!« brüllte Hubert. »Musik und Lichter und Lachen! Ihr werdet nicht nur Ebenezum mit seinem atemberaubenden Schuh-Trick sehen! Als Einleitung dazu werdet ihr eins der besten Tanz-und-Gesang-Duos der Welt erleben!«
»Eine Show?« wiederholte der Hippogreif seine Frage.
»Genau!« antwortete der Drache, auch nicht ganz frei von Wiederholungen. »Was ist schon eine Versammlung ohne eine kleine Unterhaltungseinlage? Also, wenn ihr uns jetzt noch einen kleinen Moment zur Vorbereitung geben würdet…«
Hubert ließ die Worte unausgesprochen in der Luft hängen, während er sich wieder zu uns begab.
»Der Überraschungsmoment ist zwar auf unserer Seite, aber trotzdem werden wir blitzschnell vorgehen müssen. Wir bringen also ein paar Songs, ein bißchen Gesteppe, um das Publikum zu beruhigen, und dann, wenn wir bei unserem grandiosen Finale angelangt sind – Flammen der Liebe –, müßt ihr losrennen.«
»Flammen der Liebe?« warf Snarks ein.
»Genau«, nickte der Drache. »Ziemlich poetisch, nicht? Also, wenn die Maid hier singt: ›O Drache, versenge meine Brust, mit dem Feuer deiner Lust‹, dann solltet ihr euren Abgang machen.« Der Drache schickte einen gedankenschweren Rauchring empor. »Leider werdet ihr es euch nicht in aller Ruhe anhören können, obwohl es wirklich ganz großes Theater ist!«
Ich versicherte Hubert, daß wir uns glücklich schätzen würden, seine Aufführung in voller Länge zu einem anderen Zeitpunkt zu verfolgen. Hinter uns wurde die Menge schon wieder unruhig.
»Okay!« faßte Hubert zusammen. »Zeit für den Einheizer! Maid, seid Ihr bereit?«
»Bereit, Drache!« rief Alea aus.
»Gut. In drei Minuten fangen wir an.«
Der Drache begab sich in die Mitte der Bühne, wobei er vorsichtig um den schlafenden Greif herumging.
Hubert schickte einen Flammenteppich über die Köpfe seines Publikums. »Und nun beginnt die Show! Eine kleine Rauchring-Demonstration!«
Ich lehnte mich ganz nah an Alea. »Was macht er da?«
»Oh, mach dir keine Sorgen.« Sie legte zur Beruhigung eine Hand auf meine Schulter. »Er heizt den Leuten nur etwas ein.«
Ich kam schon jetzt ein wenig ins Schwitzen. Ich hatte vergessen, wie wundervoll es war, eine so schöne Frau wie Alea an meiner Seite zu haben. Und sie war nicht länger das Mädchen aus dem Wald, das ich gekannt hatte. Nein, nun war sie eine Frau, und sie war aus Vushta!
Ich sah ihr tief in die Augen. »Erzähl mir von Vushta«, bat ich sie flüsternd.
»Vushta?« Sie lachte, und es klang wie perlender Tau an einem Sommerabend. »Es ist ein Ort voll von Magie, aber auch ein sehr verräterischer Ort. Man muß sehr vorsichtig sein, sonst ist die Ehre einer Maid, ja womöglich selbst ihr Leben, verloren!«
»Ja, Alea?« sagte ich erwartungsvoll; ich wollte alles wissen!
Ihre blauen Augen senkten sich tief in die meinen. »O ja, Wuntvor, Vushta ist beinahe wie eine andere Welt. Es bringt einem in Erinnerung, wo man früher gelebt hat, und manchmal…« Ihre Hand glitt von meiner Schulter herunter und sanft meinen Arm
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