Ein Magier in Nöten
noch heller, als er mir signalisierte, einen Stuhl für unseren Gast herbeizuschaffen. Ganz offensichtlich besaß der Herzog Geld.
»Diese ganze Situation ist ein wenig verzwickt«, gab unser verehrter Gast von sich, den Blick starr auf den Boden gerichtet. »Ich fürchte, ich fühle mich nicht sehr herzoglich.«
»Unsinn. Ein unvermuteter Besuch von einem Drachen kann jeden aus dem Konzept bringen. Wollt Ihr noch ein wenig Wein? Ein kleines Feuer, um Euch aufzuwärmen?«
»Nein danke.« Der Herzog wurde noch kleinlauter. »Denkt Ihr wirklich nicht, daß es besser wäre zu fliehen? Versteht Ihr, Drachen! Und ich habe noch andere Dinge im Wald entdeckt. Wenn Eure Kräfte nur nicht…« Der Herzog hüstelte erneut. »Wie Ihr seht, habe ich von Eurem kleinen Unfall gehört.«
Ebenezum schien nach der letzten Bemerkung sichtlich an Freundlichkeit zu verlieren, doch das strahlende Lächeln erstarb keineswegs. »Geschwätz, bester Herzog. Vollkommen übertrieben. Wir werden im Handumdrehen mit Eurem Drachen fertig!«
»Aber der Drache hat sich der Burg von Gurnish bemächtigt! Er ist riesengroß, hat glänzende blaue und violette Schuppen und mißt von Kopf bis Schwanz fünfundzwanzig Fuß! Seine Schwingen streifen die Decke meiner Großen Halle. Er ist unbesiegbar. Er hat meine Burg und meine schöne Tochter erobert und meinen Gefolgsmann besiegt.«
Schöne Tochter? Meine Gedanken kehrten zum Mädchen meiner Träume zurück. Wo war sie geblieben? Was hatte sie zurückgehalten?
»Sie ist noch ein Kind!« rief der Herzog aus. »Nicht älter als siebzehn. Wunderbares blondes Haar, schöne tiefblaue Augen, eine süße, märchenhafte Figur! Und der Drache wird sie zu einem Kartoffelchips rösten, wenn wir nicht tun, was er verlangt.«
Blond? Blau? Märchenhaft?
Ich hatte eine Eingebung.
»Kommt, Mann«, sprach Ebenezum. »Beruhigt Euch. Es ist allgemein bekannt, daß Drachen zu Übertreibungen neigen. Bis jetzt hat das Monster ja erst einen Gefolgsmann überwältigt. Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihr immer nur einen Gefolgsmann Euer eigen nennt?«
Sie hatte mich nicht mutwillig verlassen! Sie wurde nur gefangengehalten! O diese Zeit, die wir gemeinsam verbringen durften, all jene warmen, langen Nachmittage! Darum wollte sie mir nie etwas von sich erzählen! Die Tochter eines Herzogs!
Der Herzog warf einen verstohlenen Blick auf meinen Meister. »Ich müßte nicht so leben, wenn meine Untertanen ihre Steuern bezahlen würden!«
Die Tochter eines Herzogs! Ich würde sie befreien, und dann wäre Schluß mit der Geheimniskrämerei! Wie wundervoll unser beider Leben werden würde!
Ein Funkeln entstand in Ebenezums Augen. »Wenn vielleicht manche Hoheiten nicht so damit beschäftigt wären, die Grenzen ihres winzigen Herzogtums zu erweitern…« Der Zauberer fuhr mit den Händen durch die Luft, und das Feuer ging aus. »Aber das ist nicht von Bedeutung. Wir müssen einen Drachen vertreiben. Wenn ich es recht beurteile, war der Ablauf im einzelnen bislang relativ konventionell. Drache nimmt Burg und Jungfrau. Nicht sehr originell. Wir sollten in der Lage sein, das Problem auf ordentliche Weise zu erledigen.«
Der Herzog begann wieder mit seinen Einwänden, doch Ebenezum ließ nichts gelten. Es gab nur eine Sache, auf die seine Nase noch mehr ansprang als auf Zauberei – Geld, und der Geruch nach Geld lag offenbar jetzt in der Hütte. Mein Meister schickte den Herzog beiseite, während wir die Utensilien für den Kampf mit dem Drachen zusammenpackten.
Als ich alles getreu den Anweisungen meines Meisters verstaut hatte, winkte Ebenezum mich in die Bibliothek. Hier kletterte er auf eine Trittleiter und entnahm dem obersten Bücherbord mit aller Vorsicht ein schmales Bändchen, wobei er sich die ganze Zeit die Nase zuhielt.
»Wir könnten es brauchen.« Seine Stimme klang merkwürdig hohl – vermutlich weil er sich den Daumen und den Zeigefinger auf die Nase preßte. »In meiner momentanen Lage kann ich nicht das Risiko eingehen, das hier zu benutzen. Aber es sollte für dich nicht schwierig werden, es zu meistern.«
Er stieg wieder von der Leiter herunter und legte das dünne, dunkle Buch in meine Hände. In prächtigem Golddruck war auf dem Umschlag zu lesen Drachisch für Anfänger.
»Aber jetzt schnell!« rief Ebenezum aus und klopfte mir auf die Schulter. »Man darf einen Kunden nie warten lassen. Du kannst es dir ja, während wir Rast machen, ansehen.«
Ich stopfte das Büchlein hastig in den
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