Ein Magier in Nöten
unserer Not!«
Ich bemerkte, daß Heemats Blick recht starr an mir hing. Vielleicht war es ja darauf zurückzuführen, daß ich während seines ganzen Gebets im Hintergrund den ›Glücklichen-Holzfäller-Song‹ gepfiffen hatte.
Heemat klatschte jedenfalls in die Hände.
»In die Bottiche mit ihnen!«
Unerbittliche Arme stießen mich in die zitronengelbe Masse. Ich hatte kaum Zeit, noch einmal tief Luft zu holen, bevor das zähe Zeug mich umklebte.
Instinktiv hatte ich die Augen geschlossen, doch meine Nase signalisierte mir unmißverständlich, daß ich in die Creme gesunken war. Ein strenges Aroma nach Zitrone drängte sich meinen Geruchsnerven auf; ich konnte nicht mehr atmen. Einen Augenblick trieb ich mit gefesselten Händen und Füßen hilf- und grundlos in der Eiercreme umher. Ich unterdrückte die aufsteigende Panik und rief mir Snarks’ Überlebenstips ins Gedächtnis. Meine Füße stießen auf den Boden des Bottiches, ich streckte meinen Kopf empor. Nun mußte ich essen, wie ich nie zuvor in meinem Leben gegessen hatte.
Ich öffnete meinen Mund, und der Eiercreme strömte hinein: zu viel, zu schnell. Ich preßte die Zähne zusammen und bemühte mich, nicht zu würgen; und dann, mit größter Willensanstrengung, zwang ich mich zu schlucken. Geschafft. Es war gar nicht so schlimm, eigentlich sogar ganz schmackhaft.
Doch noch lag ein langer Weg vor mir!
Und dennoch würde ich nicht in Panik verfallen! Ich würde überleben, für meinen Meister, für meine Zukunft als Zauberer, für Vushta, die Stadt der tausend verbotenen Lüste. Und so aß ich hastig weiter, eingedenk der Tatsache, daß jeder Happen mein letzter sein konnte.
Für meinen Meister! Ich dachte nach. Ebenezum würde stolz darauf sein, wie zielstrebig ich mir meinen Weg aß.
Für meine Zukunft! Was für eine edle Persönlichkeit würde ein Zauberer werden, der in seiner Jugend eine solche Prüfung gemeistert hatte! Ich schluckte einmal, zweimal.
Für Vushta! Teures, verbotenes Vushta. Eine solche Prüfung zu überleben würde mich erst richtig auf diese großartige Stadt vorbereiten, wo ein einziger Blick einen Mann für sein ganzes Leben zeichnen konnte. Weit öffnete ich meinen Mund und sog die Eiercreme ein.
Meine Lippen schlossen sich – um Luft! Luft! Ich schluckte schnell und begann zu atmen. Luft! Süßer als alle Eiercreme der Welt! Ich lachte und begann, den >Glücklichen-Holzfäller-Song< vor mich hin zu pfeifen.
Und wieder spürte ich etwas in meinem Mund! Panik stieg wieder in mir auf. Ich öffnete die Augen und erblickte Insektenfühler auf meinem Nasenbein.
Es war ein Schmetterling.
Es gab ein berstendes Geräusch, als der Bottich platzte, überladen mit meinem Gewicht und Hunderten von Litern Eiercreme und Tausenden, vielleicht sogar Millionen von Schmetterlingen. Auf einem Cremestrom floß ich von der Bühne herunter.
Snarks schrie von der Plattform: »Er hat das Gottesgericht der Eiercreme überlebt!«
»Aber…«, setzte Heemat ziemlich verdutzt an. »Er kann doch nicht…« Er kratzte sich die Glatze und lächelte. »Nun, offensichtlich kann er.«
Hendrek watete durch die Creme und griff mich, bevor ich wieder vom Tisch des Magiers weggeschwemmt wurde. Er legte mich auf einem Stuhl ab, der sich glücklicherweise oberhalb der nun abebbenden Cremeflut befand. Ebenezum nieste natürlich.
Als mein Meister sich wieder gefaßt hatte, dankte ich ihm dafür, daß er nicht den Makrelenspruch eingesetzt hatte.
Ebenezum nickte fröhlich. »Es brauchte auch nur Schmetterlinge. Und es war besser, daß ich dich retten konnte, ohne unsere Gastgeber noch mehr zu befremden. Löse bitte Wuntvors Fesseln, ja, Hendrek?«
Der große Krieger tat, worum er gebeten wurde. In der Zwischenzeit fuhr Ebenezum in seinen Erklärungen fort, was für eine grandiose Sache wir doch mit unserer Gemeinschaftsmagie vollbracht hätten. Ich hatte geflötet, er mit den Ellbogen geflattert und sich angemessen gewunden – und die Magie war perfekt. Das war ein wichtiger Punkt, denn mit seinem Geflattere und Gewinde hatte Ebenezum ja nichts Zauberisches getan! Folglich traten die Krankheitserreger der Magie erst in Aktion, als der Spruch beendet war, wohingegen der Magier, hätte er den Spruch alleine gewirkt, noch während der Beschwörung von einem schwereren Niesanfall heimgesucht und außer Gefecht gesetzt worden wäre.
»Verstehst du, worauf es hinausläuft?« schloß der Zauberer. »Ganz neue Aspekte der Zauberkunst tun sich vor meinen
Weitere Kostenlose Bücher