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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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sehen…«
    »… komm ich die Tage vorbei und Schmuggel ’ne Packung Zigaretten ans Bett.«
    »Mach das. Also…«, mit schlapper Geste hob er den Arm, »… viel Glück.«
    »Gleichfalls.«
    Er verschwand, und ich machte mich auf den Weg zum Ausgang. Durch die Schiebetür fuhr einem feuchter Wind entgegen. Ich schlug den Kragen hoch und winkte mir mit dem gesunden Arm ein Taxi. »Zum nächsten Krankenhaus.«
    »Wo ist Heinz?«
    »Weiß isch net.«
    Ich zog mir ein Käsebrötchen unter der Glasglocke hervor.
    »Ist Slibulsky im Haus?«
    »Weiß isch aach net.«
    »Charly?«
    »Derf isch net wisse.«
    Ich biß in das Brötchen und betrachtete sie kauend. Sie war um die Vierzig, aufgedunsen wie ein Sumo-Ringer, im hellblauen Blümchenkleid mit Perücke. Sie strickte ein Hundeleibchen. Auf dem Tisch neben ihr lag Kohl in fünfzig Teilen.
    »Sind Sie die Frau von Heinz?«
    Die Nadeln hörten auf zu klappern, und zwei verhangene Augen musterten mich prüfend.
    »Wenn Se damit meine, deß isch ihn ei mal die Woch mi’m Rolli die Zeil lang schiebe derf - ja. Un Viddeo derf isch ihm aach hole, un Mondachs den Kickä. Nur Socke muß isch ihm net stopfe - so hat alles sei gude Seid.«
    Ihre aufgeworfenen Lippen deuteten ein Lächeln an. Ich lächelte zurück, warf zwei Mark auf die Theke und betrat den rosa Flur. Links und rechts stachen einem aus den Zimmern Frauenbeine entgegen. Von der Decke rieselte Schubidu. Es war kurz vor halb neun. Ich reihte mich in die Schlange der Freier ein, die sich an den Zimmern vorbei durchs Treppenhaus bis in den vierten Stock und zurück zog. Oben angelangt, stieg ich über einen Balken, auf dem ›Privat‹ stand, und klopfte zwei Treppenabsätze weiter an eine rostbraune Metalltür. Die Tür ging auf, und Charly schaute fragend heraus. Er trug einen weißen Seidenanzug ohne Hemd, war barfuß und hielt eine Kiste Matchboxautos in der Hand. Als er mich erkannte, öffnete sich sein Mund entgeistert. Dann hob er freudig den Arm.
    »… aber das ist ja der kleine Braune mit der großen Klappe! Na, das is mal ’ne Überraschung.« Nach hinten brüllte er »Häschen, wir haben Besuch, zwei Gläser und ’ne Flasche Asbach!« Und wieder zu mir »Darauf müssen wir einen trinken.«
    Ohne auf Antwort zu warten, packte er meine Schulter, kickte die Tür mit der Ferse zu und schleppte mich zum Sofa. Über Glastisch und Flokati verteilten sich an die tausend kleine bunte Metallautos. Daneben eine Spiritusflasche, ein Haufen weißer Lappen und ein Becher mit Zahnbürsten. Während er mit der einen Hand meine Schulter weiter knetete, nahm er mit der anderen ein Auto, hielt es gegen das Licht und erklärte glücklich: »Einundsiebziger Modell, gelber Jeep, braunes Verdeck, Anhängerkupplung - klasse was?«
    »Unheimlich klasse.«
    Behutsam stellte er das Auto an seinen Platz zurück.
    »Meine Sammlung, achthundertzweiundneunzig Stück. Frühjahrsputz mach ich jedes Jahr, ganz schön anstrengend, aber…«, seine Hand fuhr über den bunten Hügel, »… sag selbst, Schnüffler, ist das ein Anblick?«
    »Ich muß mit Ihnen reden, Charly.« Er stutzte.
    »Ich zeig dir meine Autosammlung, und du willst mit mir reden…?«
    »Ganz genau.«
    Der Arm glitt wie tot von meiner Schulter. Dann grinste er plötzlich. »Ich weiß, was dir fehlt, Schnüffler, dir fehlt was zu trinken.« Er tätschelte mein Knie und schnippte in Richtung Badezimmer. »Häschen, wo bleiben die Getränke!«
    »Sofort, Charly…«
    Ein Mädchen um die sechzehn, in Jeans, Ringelpulli und Turnschuhen, mit einer blauen Schleife im Haar, kam ins Zimmer. Sie lächelte mir artig zu und verschwand hinter der Bar. Mit ihrem runden, stupsnasigen Gesicht, dem kleinen festen Busen und einem Hintern wie zwei Honigmelonen, sah sie aus wie ein Teenager, der seine Vormittage auf dem Schulhof verbringt, die Nachmittage im Eiscafé und die Abende mit dem Kapitän der FußballKlassenmannschaft. Jedenfalls hätte ihr Anblick solches vermuten lassen können, wären da nicht das rechte Auge grün zugeschwollen und auf Wangen und Hals leuchtend rote Striemen gewesen. Der Versuch, alles mit Schminke zu übertünchen, ließ sie wie ein Monster erscheinen.
    Charly lehnte sich zurück und blinzelte mir zu. »Süß, was?«
    »Bißchen verbeult.«
    Er wiegte den Kopf. »Das geht vorbei.« Und lauter: »Gell, Häschen? In zwei, drei Tagen hab ich wieder meine Prinzessin.«
    »Ja, Charly.«
    »Und daß ich das überhaupt nicht böse gemeint hab, weißt du. Im

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