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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Gesicht hatte dabei einen beinahe bemitleidenswerten Ausdruck. Ich musterte ihn skeptisch.
    »Nun tun Sie mal nicht so belemmert, bis eben haben Sie doch noch den Feldwebel markiert. Es ist Ihr Beruf, Menschen zu jagen, und im Verband mit Gangstern nehmen Sie ihnen sogar noch Geld und Schmuck ab - wenn Ihnen dann mal jemand auf die Füße tritt, kann man ja wohl ’n bißchen mehr Haltung erwarten!«
    Als er den Kopf hob, schien er um Jahre gealtert. Seine Augen waren stumpf und das kantige Kinn nur noch ein morscher zitternder Knochen. Plötzlich brach es aus ihm heraus: »Was wissen denn Sie?! Im Verband mit Gangstern! Einmal in meinem Leben habe ich einen Fehler gemacht!«
    Ich drückte die Zigarette aus. »Soll ich raten? Köberle hat von dem Fehler Wind bekommen, und seitdem stehen Sie auf seiner Mitarbeiterliste.«
    Ich stieß mich vom Schreibtisch ab, ging zur Tür und legte die Hand auf die Klinke. Am Fenster blieb ein gebrochener Mann, der auf einen leeren Parkplatz starrte.
    »Mit Gaunern in Kontakt zu geraten und von ihnen erpreßt zu werden kann jedem passieren, aber als Ausländerpolizist sind Sie mir einfach widerlich. Die Akte ist bis morgen früh in meinem Briefkasten. Und kommen Sie nicht auf die Idee, Köberle zu warnen. Wenn er anruft, erzählen Sie, ich sei auf dem Weg nach Istanbul. Schönen Tag noch.«

13
    Zehn Minuten später stand ich in der Telefonzelle neben dem Pan-Am-Schalter und telefonierte mit sämtlichen Zeitungen und Organisationen, die mir zur bevorstehenden Massenabschiebung einfielen. Zuletzt rief ich Benjamin Weiss an: Leiter einer Flüchtlingsberatungsstelle, Aushilfsbassist der legendären Keller-Combo ›Die Wicherts von nebenan‹ und ein passabler Skatspieler. Wir kannten uns seit Universitätszeiten. Er hatte es mit Philosophie versucht, ich mit Jura, und beide haben wir es nach einem Jahr bei dem Versuch belassen; er, weil ihn nachts Schlafstörungen plagten, da er das halbe Pensum schon während der Vorlesungen absolvierte, ich, weil mir das ständige Aktenkoffer-auf-und-zuknallen Halbwüchsiger auf Hirn und Magen schlug. Heute wohnte Weiss mit Frau, zwei Söhnen und einer fünfzehn Meter langen Plattensammlung im Gallus, und wenn er nicht arbeitete, war er entweder krank oder mit den Söhnen beim Drachensteigen. Im Büro hob niemand ab und fürs Drachensteigen war es zu dunkel. Zuhause klingelte es viermal, bis sich eine klägliche Stimme meldete. »Ja-a …?«
    »Hier ist Kayankaya. Im Flughafen stehen dreißig Leute kurz vor der Abschiebung.«
    »Wieviel?!«
    »Dreißig.«
    »… falls das ’n Aprilscherz sein soll, ich lieg mit Angina im Bett.«
    »Kein Scherz. Ich war selber bis eben eingesperrt.« Irgendwie bekam er aus seinem geschwollenen Hals einen vergnügten Laut raus. »… wo wollten sie dich denn hinschicken?«
    »Ich hab Sardinien vorgeschlagen.«
    Er wiederholte den Laut, dann fragte er: »Und was genau ist passiert?«
    »Is ’ne lange Geschichte. Komm erst mal her.«
    »Okay. In ’ner halben Stunde bin ich da.«
    »Ich sitze in der Abflughalle.«
    Wir legten auf. Ich spielte einen Moment mit dem verbliebenen Kleingeld, bis ich es in den Schlitz steckte und die Nummer Weidenbuschs wählte. Nachdem ich ihm in groben Zügen über den Verlauf meiner Ermittlungen bis zum Bunker berichtet hatte, machte ich eine kurze Pause und sagte dann: »Nur leider war Ihre Freundin nicht darunter.«
    »Wie?! Sind Sie sicher?«
    »Ziemlich. Es sei denn, sie wollte sich nicht zu erkennen geben.«
    »Aber sie hätte sich doch inzwischen bei mir gemeldet.«
    »Vielleicht ist ihr das nicht möglich.«
    »Wie meinen Sie das? Wenn Sie nicht im Bunker war…«
    »Möglicherweise hat man mit ihr was anderes vor.«
    Er schluckte und bat mich, ihn für einen Augenblick zu entschuldigen. Ich vernahm das Hantieren mit einer Flasche, leises Gluckern und ein schmatzendes Geräusch; dann kam es entschlossen aus dem Hörer: »Wahrscheinlich hat sie Angst gehabt und deshalb nichts gesagt. Bestimmt ist sie in der Zelle. Ich komme jetzt zum Flughafen.«
    »Woher die plötzliche Aufregung? Gestern wollten Sie die Frau doch noch loswerden?«
    »Ach, Unsinn! Ich war einfach fix und fertig. Bitte, vergessen Sie, was ich gestern gesagt habe.«
    Als Weidenbusch bald darauf, den Bauch mit beiden Händen zusammenhaltend, durch die Halle gedopst kam, saß ich mit Kaffee und Schinkentoast über einem Reiseprospekt. Keuchend hielt er neben mir an und japste: »Wo sind die Zellen?« Aus dem

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