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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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rotweinschlürfenden Westendaffen war eine Thekenleiche geworden. Er roch nach Alkohol und Zigaretten, die Haare hingen ihm ins Gesicht, das Hemd war voller Flecken, und seine schwarzgeränderten Augen glänzten fiebrig. Er hatte die Brille abgenommen und wischte sich über die schweißnasse Stirn.
    Ich deutete mit dem Daumen nach hinten. »Die Rollbahnen entlang, rechts raus und über einen Parkplatz. Wenn man Sie nicht vorläßt, verlangen Sie nach Kommissar Höttges und erwähnen meinen Namen.«
    »Und Sie… kommen Sie nicht mit?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Weil Ihre Freundin woanders ist.«
    »Wie können Sie das wissen?«
    »Ich kann’s nicht, ich tu’s einfach.«
    »Das heißt… Sie machen weiter?«
    »Wollen Sie mir schon wieder ’n Scheck anbieten?«
    »Nein! Nur weil…« Seine Zunge fuhr über die Lippen. Plötzlich änderte sich sein Ausdruck, und er zeterte: »Sie tun gerade so, als wäre ich einer Ihrer Verdächtigen…« Dann wütend: »Dabei habe ich Sie engagiert, und wenn’s mir einfällt, kann ich Sie auch entlassen!«
    »Jederzeit. Wollen wir die Abrechnung gleich hier machen?«
    Unschlüssig fingerte er an seiner Brille herum. Dann setzte er sie mit einem Ruck auf. »Ich gehe jetzt zu den Zellen. Den Scheck erhalten Sie wie besprochen, und da wir uns nicht mehr sehen werden…«
    Er schien abzuwägen, ob er mir die Hand geben oder es bei einem Nicken belassen sollte.
    Ich tippte den Schinkentoast in die Luft. »Wenn jemand Sie wegen Frau Rakdee unter Druck setzt - ich meine, abgesehen von Ihrer Mutter -, sollten Sie mir das besser sagen.«
    Er schaute fassungslos. »Haben Sie nicht verstanden. Sie sind gefeuert!«
    Und ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verschwand im graugrünen Gewühl einer Seniorenreisegruppe. Ich blieb sitzen und aß den Toast zu Ende. Wenig später trafen die ersten Journalisten ein. Beladen mit Kameras rannten sie wie aufgescheuchte Hühner durch die Halle und sorgten für Aufregung bei Fluggästen und Personal. Eine Bombe, Geiselnehmer, der Fürst von Monaco oder die Kessler-Zwillinge? Hunderte von Augenpaaren suchten Türen, Schalter und Sessel ab. Dann erblickte ich Benjamin Weiss. Mit seiner stattlichen Zwei-Meter-Figur ragte er gut sichtbar aus einer buntgekleideten Gruppe, die mit Papierstapeln unterm Arm durch die Schiebetüren stürzte und augenblicklich begann, sich in der Halle zu verteilen und das Papier unter die Leute zu bringen. Ich winkte, und Weiss schlurfte heran. Er war in Mantel, Schal und Pudelmütze gepackt, und was von seinem Gesicht zu sehen war, verlangte nach Bett und heißer Zitrone. Er ließ sich neben mich in den Sessel fallen, streckte die Beine aus und murmelte: »Eine Zigarette, bitte.«
    »Vielleicht nicht gerade die richtige Medizin?« Mit Nachdruck wiederholte er »Bitte!«
    Ich steckte eine an und reichte sie ihm rüber. Er nahm einen Zug, inhalierte tief und blies den Rauch langsam aus.
    »Seit drei Tagen meine erste. Im Bett geht’s ja, aber…« Er nahm einen zweiten Zug, dann sagte er: »Ich war eben im Knast. Dreiunddreißig Leute sind’s genau. Drei Anwälte reden jetzt mit ihnen. Der evangelische Oberdings hat seine Hilfe zugesagt, der katholische ist mit Wallmann bei einem schlesischen Vertriebenen-Diner. Die gesamte SPD befindet sich bei Aufnahmen für eine WahlkampfSchallplatte, und der Zuständige der Grünen kriegt ’n Kind. Die Vertretung hat zwar kein Auto, will sich aber beeilen. Bleibt noch das Multikultur-Büro: dort meldet sich eine Putzfrau, die kaum Deutsch spricht, aber soviel ich verstanden habe, eröffnet die Belegschaft eine Kastagnetten-Ausstellung…« Er hielt inne und zog an der Zigarette.
    »Das hast du alles in ’ner halben Stunde rausbekommen?«
    »Das meiste. Den Rest hab ich mir ausgemalt. Jetzt bist du dran.«
    Während Weiss immer tiefer in den Sessel rutschte und seine Mütze sich langsam über die Augen schob, schilderte ich kurz die Vorgehensweise der angeblichen Paßfälscherbande, erwähnte aber weder Namen noch Orte, und erklärte am Ende: »Rechtlich kann man ihnen nichts, aber ich will versuchen, Geld und Schmuck wiederzubekommen.«
    Weiss starrte eine Weile glasig vor sich hin, dann seufzte er und rappelte sich hoch. »Mal sehen, ob die Anwälte damit was anfangen können. Ich geh jetzt wieder zu ihnen. Sehen wir uns heute noch?«
    »Wenn ich das Geld aufgetrieben habe.«
    »Ich bleib wahrscheinlich die Nacht über hier.« Er zog den Schal fest. »Falls wir uns nicht mehr

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