Ein Mann für alle Lagen
„Jetzt gehen wir beide zu dir, und ich helfe dir beim Packen.“
„Das geht nicht. Ich muss erst meine Klienten an andere Mitarbeiter weiterleiten, bei meinem Vater kündigen, meine Wohnung verkaufen und meine Geldanlagen zu Bargeld machen. Und dann muss ich mir noch überlegen, was ich mit dieser Liste und Jake anfange. Keine Angst“, setzte sie hinzu, als sie Jessies Blick sah, „ich überlege es mir nicht anders. Schließlich bin ich jetzt Besitzerin einer halben Bar.“
Jake saß im Hotelbüro und starrte so konzentriert auf den Computerbildschirm, dass er nicht hörte, wie die Tür aufging.
Einen Moment blieb Kate erstaunt im Türrahmen stehen. Bislang hatte sie Jake nur so weltvergessen erlebt, wenn sie beide miteinander geschlafen hatten. Sie schloss die Tür und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. Innerlich rief sie sich ins Gedächtnis, was Nancy und Jessie ihr geraten hatten. Er vermisste sie, und sie musste den ersten Schritt tun.
Dabei hätte sie sich ihm am liebsten in die Arme geworfen. Stattdessen ließ sie es vielleicht auf eine Auseinandersetzung ankommen. „Hallo“, sagte sie laut, und Jake blickte auf.
Einen Augenblick, der Kate endlos vorkam, sahen sie einander nur wortlos an.
„Hallo“, brachte Jake dann heraus. Ihm fiel einfach nichts Gescheites ein. Nach all den einsamen Wochen saß sie endlich vor ihm, und er dachte nur voller Panik: Sie darf nicht wieder weggehen.
Da er schwieg, ergriff Kate das Wort: „Vermutlich wunderst du dich, dass ich hier bin.“
„Nein“, erwiderte er. „Ich freue mich nur. Du siehst phantastisch aus.“
„Danke. Du auch.“ Los, befahl sie sich. Bring es endlich hinter dich. „Ich bin Nancys Teilhaberin geworden.“
„Ich weiß“, antwortete er. „Sie hat es mir letzte Woche erzählt. Ich finde es großartig.“ Fällt dir nichts Besseres ein? schoss es ihm durch den Kopf.
„Tja“, meinte Kate, „das bedeutet, dass ich hierher ziehe. Ehrlich gesagt, habe ich es gerade getan.“
Jake nickte nur wortlos, und schließlich gab Kate auf. Sie machte sich bloß lächerlich. „Ich glaube, ich gehe dann lieber“, sagte sie und stand auf.
Jake sprang auf. „Warte!“
„Das habe ich sechs Wochen lang getan“, fuhr sie ihn an. „Es reicht. Ist dir gar nicht aufgefallen, dass ich weg war?“
„Doch, es war entsetzlich. In der Zeit habe ich nachgedacht.“
„Sechs Wochen lang?“ fragte sie ungläubig. „Kannst du dir vorstellen, wie elend ich mich gefühlt habe? Ich habe geheult, und das tue ich sonst nie.“ Sie schlug mit der Faust auf den Tisch. „Sechs Wochen!“
„Kate“, warf Jake ein, doch sie war mit ihrer Geduld am Ende.
„Glaub bloß nicht, dass ich deinetwegen hergekommen bin. Ich hasse das Großstadtleben, und hier gefällt es mir. Also bin ich hierher gezogen. Das hat mit dir überhaupt nichts zu tun.“
„Da haben wir doch etwas gemeinsam“, versuchte Jake einzulenken.
„Wir haben gar nichts gemeinsam“, fauchte sie ihn an und ging zur Tür.
Im letzten Moment stellte Jake sich ihr in den Weg. „Gib mir eine Chance.“
„Nein. Bitte lass mich durch.“
Er schüttelte den Kopf und umfasste ihre Schultern. „Ich kann dich nicht gehen lassen. Du liebst mich und hast meinetwegen geweint. Das hast du zugegeben.“
„Darüber komme ich hinweg“, entgegnete Kate. „Vielleicht hat mir dieses Treffen schon sehr dabei geholfen.“
„Das werde ich nicht zulassen.“ Jake zog sie an sich und küsste sie.
Kate hatte beinahe vergessen, wie atemberaubend er küssen konnte und was für ein berauschendes Gefühl es war, sich in seine starken Arme zu schmiegen.
„Mach mir nie wieder solche Angst“, flüsterte Jake, als er den Kuss beendete. „Ich dachte, du würdest wirklich wieder gehen.“
„Das wollte ich auch.“ Kate atmete tief durch und zog sich von ihm zurück, bevor sie durch seine Nähe die letzte Willenskraft verlor. „Ich habe eine Reihe von Bedingungen, und die werden dir nicht gefallen.“ Sie zog Jessies Liste hervor. „Ich hoffe, du kannst die Schrift meiner Freundin entziffern.“
Jake nahm den Zettel mit einer Hand und legte Kate den anderen Arm um die Schultern. „‚Erstens’“, las er. „‚Er ruft nicht an’.“ Verwirrt blickte er hoch.
„Na ja, du hast nicht angerufen.“ Mit einemmal kam Kate die Liste unsinnig vor. „Gib mir den Zettel wieder.“
Doch er hielt ihn außer Reichweite. „Von jetzt an werde ich dich dreimal täglich anrufen, wenn du es willst.
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