Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
streunende Straßenhunde.“ Ihr Lachen entzückte ihn. „Wenn etwas nicht außergewöhnlich ist, dann ist es durchschnittlich.“
„Das mag stimmen.“ Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, streifte sie unter dem Tisch ihre Schuhe ab. „Allerdings muss ich gestehen, dass ich Essen immer lediglich als eine Notwendigkeit angesehen habe.“
„Notwendigkeit?“ Carlo schüttelte den Kopf. Das hatte er zwar schon öfter gehört, aber in seinen Ohren klang es jedes Mal wie ein Sakrileg. „Madonna, Sie müssen noch sehr viel lernen. Wenn jemand zu essen versteht, sein Essen wirklich genießen kann, dann kommt diese Erfahrung gleich hinter der körperlichen Liebe. Aroma, Konsistenz, Geschmack. Essen, nur um den Magen zu füllen? Welche Barbarei!“
„Entschuldigung.“ Juliet nahm einen weiteren Bissen von ihrem eigenen Fleisch. Es war zart und perfekt gebraten, aber sie käme nie auf die Idee, es als sinnlich oder romantisch zu bezeichnen. Es sättigte schlicht. „Ist das der Grund, weshalb Sie Koch geworden sind? Weil Sie glauben, Essen sei sexy?“
Er krümmte sich leicht. „Chefkoch, cara mia.“
Sie lächelte verschmitzt, zeigte ihm gegenüber zum ersten Mal Humor und Keckheit. „Wo liegt da der Unterschied?“
„Wo liegt der Unterschied zwischen einem Ackergaul und einem Vollblüter? Zwischen Keramik und Porzellan?“
Sie fühlte sich wohl, legte die Lippen an ihr Weinglas. „Manche würden behaupten, beim Preis.“
„Nein, nein, nein, meine Liebe. Die Höhe des Preises ist nur das Resultat, nicht der Anstoß. Ein Koch bereitet Hamburger hinter dem Tresen einer hektischen Küche zu, in der es nach Fett und Zwiebeln riecht und die Leute Senf und Ketchup aus Plastikflaschen drücken. Ein Chefkoch kreiert“, er gestikulierte, beschrieb einen vagen Kreis mit der Hand, „eine Erfahrung.“
Sie hob das Glas und senkte die Lider, auch wenn sie sich nicht die Mühe machte, ihr Lächeln zu verbergen. „Ich verstehe.“
Ein Blick konnte ihn beleidigen, und in einer solchen Situation würde Carlo dann absolut schonungslos zu seinem Gegenüber sein. Doch ihren Stil mochte er. „Es amüsiert Sie. Aber offensichtlich haben Sie Franconi nie probiert.“ Er hielt ihren Blick gefangen, als sie ihn mit einer Mischung aus mildem Spott und Argwohn anschaute. „Noch nicht.“
Er hatte die Gabe, die harmloseste Bemerkung in eine erotische Anspielung zu verwandeln, wie ihr auffiel. Es würde eine Herausforderung sein, ihm auszuweichen, ohne ihm zu viel Spielraum zu lassen. „Sie haben mir noch immer nicht erklärt, warum Sie Chefkoch geworden sind.“
„Ich kann nicht malen, für die Bildhauerei habe ich ebenfalls kein Talent. Die Geduld, um an einem Sonett zu feilen, besitze ich nicht. Aber es gibt andere Möglichkeiten, die Kunst zu umarmen und Kunstwerke zu erschaffen.“
Mit Staunen und wachsendem Respekt erkannte sie, dass es ihm völlig ernst damit war. „Doch Gemälde, Statuen und Poesie bleiben jahrhundertelang erhalten. Wenn Sie ein Souffle zubereiten, ist es in der einen Minute vollendet und keine Stunde später verschwunden.“
„Die Herausforderung liegt darin, es immer und immer wieder zu erschaffen. Kunst muss nicht hinter Glas leben oder in Bronze gegossen sein, sondern vor allem bewundert werden, Juliet. Ich habe eine Freundin ...“ Er dachte an Summer Lyndon zurück – nein, Summer Cocharan, wie sie jetzt hieß. „Sie kreiert Desserts und Torten wie eine Göttin. Wenn Sie ein Stück von ihrem Kuchen essen, dann fühlen Sie sich wie ein König.“
„Also ist Kochen eine Kunst? Oder wie Magie?“
„Beides. Es ist wie die Liebe. Und ich denke zudem, dass Sie viel zu wenig essen, Juliet Trent.“
Sie hielt seinem Blick stand, darauf hatte er auch gehofft.
„Ich halte nichts von übertriebener Schwelgerei, Mr Franconi. Das führt automatisch zu Achtlosigkeit.“
„Dann trinken wir auf das Genießen.“ Er hob sein Glas. Das Lächeln lag wieder auf seinem Gesicht, charmant und gefährlich. „In Maßen.“
Alles konnte jederzeit schiefgehen. Das musste man immer im Kopf behalten, vom Schlimmsten ausgehen und dementsprechend vorbauen. Juliet wusste, wie viel in einem zwanzigminütigen Live-Interview an einem Montag um sieben Uhr in der Früh falschlaufen konnte. Man konnte nur auf das Beste hoffen und sich mit dem zufriedengeben, was nicht allzu schlecht war. Selbst sie erwartete am ersten Tag der Tour keine Perfektion.
Deshalb war es auch so unverständlich, dass sie verstimmt
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