Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
hätte es sie schockiert, wenn jemand ihr jetzt sagte, sie sei eine Romantikerin.
Als es an ihrer Tür klopfte, schaute sie auf ihre Armbanduhr. Fünf nach sieben. Sie hatte eine volle Viertelstunde vertrödelt. Um die verlorene Zeit wieder aufzuholen, schlüpfte Juliet schnell in ihre Schuhe, legte Ohrringe an und schnappte sich Tasche und Notizkladde, alles in genau zwölf Sekunden. Dann ging sie zur Tür, um zu öffnen, eine Entschuldigung auf der Zunge.
Eine Rose. Eine einzelne Rose in der Farbe des zarten Errötens eines jungen Mädchens. Als Carlo ihr die langstielige Blüte reichte, fiel ihr absolut nichts ein, was sie sagen könnte. Im Gegensatz zu ihr hatte Carlo keine solchen Probleme.
„Bella.“ Seine Hand lag an ihrer Taille, bevor sie überhaupt auf die Idee kam, ein Ausweichmanöver zu starten. „Es gibt Frauen, die sehen streng oder unnahbar in Schwarz aus. Bei anderen wiederum ...“ Er musterte sie mit einem langen, typisch männlichen Blick, doch sein Lächeln machte diesen Blick viel eher galant denn abschätzend. „Bei anderen betont es nur die Weiblichkeit. Störe ich Sie?“
„Nein. Nein, natürlich nicht. Ich habe nur gerade ...“
„Ah, ich kenne diesen Film.“
Ohne auf eine Einladung zu warten, rauschte er an ihr vorbei in das Zimmer. Das durchschnittliche unpersönliche Einzelzimmer, in jedem Hotel zu finden, schien plötzlich aufgewertet zu sein. Wie war das möglich? Lag es tatsächlich nur an Carlo, der Lebendigkeit, Energie und Leidenschaft verbreitete, als sei es seine Mission?
„Ich habe ihn sogar mehrmals gesehen.“ Die beiden ausdrucksstarken Gesichter beherrschten das Bild – Bogarts gefurcht, ledrig und mit halb geschlossenen Lidern, Bacalls schön, sanft und herausfordernd. „Passione“, murmelte Carlo. Das Wort tropfte süß und schwer aus seinem Mund wie Honig, der zum Kosten verlockte. Unfassbar, aber Juliet musste tatsächlich schlucken. „Ein Mann und eine Frau können einander viele Dinge geben, aber ohne Leidenschaft bliebe alles nur ein blasser Abklatsch, si?“
Juliet nahm sich zusammen. Franconi war sicherlich nicht der Mann, mit dem sie über Leidenschaft diskutieren würde. Das Thema bliebe bestimmt nicht lange rein theoretisch. „Möglich.“ Sie klemmte sich Abendtasche und Block unter den Arm. Die Rose legte sie jedoch nicht ab. „Wir haben während des Dinners vieles zu besprechen, Mr Franconi. Wir sollten besser losgehen.“
Die Daumen in die Taschen seiner anthrazitfarbenen Hose gehakt, wandte er den Kopf. Juliet war überzeugt, dass Hunderte von Frauen seinem Lächeln bereits vertraut hatten. Sie aber würde diesem Lächeln nicht glauben.
Mit einer knappen Handbewegung stellte er den Fernseher ab. „Ja, es wird Zeit, dass wir anfangen.“
Welchen Eindruck hatte er von ihr?
Carlo stellte sich diese Frage und beschloss die Antwort im Verlauf des Abends auf sich zukommen zu lassen, schrittweise, Stück für Stück.
Sie war hinreißend. Seine Faszination für schöne Frauen hielt er keineswegs für eine Schwäche. Er war dankbar dafür, dass sie ihre natürliche Schönheit weder herunterspielte noch übertrieben betonte. Nein, sie hatte die vollendete Balance gefunden. So etwas verlangte ihm Bewunderung ab.
Sie war ehrgeizig. Auch das bewunderte er. Schöne Frauen ohne Ehrgeiz konnten sein Interesse nie lange halten.
Sie vertraute ihm nicht. Das amüsierte ihn. Bei seinem zweiten Glas Beaujolais entschied er, ihren Argwohn ihm gegenüber als Kompliment zu nehmen. Seiner Einschätzung nach war eine Frau wie Juliet nur dann einem Mann gegenüber misstrauisch, wenn sie ihn auf irgendeine Weise anziehend fand.
Wenn er ehrlich war, und das war er, musste er zugeben, dass die meisten Frauen ihn anziehend fanden. So schien es ihm also nur fair, wenn er sich ebenfalls zu ihnen hingezogen fühlte. Klein, groß, füllig, dünn, alt oder jung – für ihn waren Frauen faszinierende Wesen, ein stetig sprudelnder Quell von Vergnügen und Entzücken. Er respektierte die Frauen, wie nur ein Mann Frauen respektieren konnte, der unter ihnen aufgewachsen war. Respekt bedeutete allerdings nicht, dass er nicht auch genießen konnte.
Und er würde Juliet genießen.
,„Hello L. A.’ ist der erste Termin morgen.“ Juliet überflog ihre Notizen, während Carlo an einer Pate knabberte. „Es ist das quotenstärkste Morgenmagazin an der gesamten Westküste, nicht nur in Los Angeles. Liz Marks ist Ihre Gastgeberin. Sie ist eher gesetzt und sachlich, nicht
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