Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
sich zu bringen, aber als Juliet dann nach links abbog, fand sie sich, genau wie Carlo gesagt hatte, in der richtigen Richtung wieder. Resigniert wappnete sie sich für seine Triumphrede.
„In Rom kommt man schneller voran“, war alles, was er sagte.
Wie sollte es ihr je gelingen können, diesen Mann einzuschätzen, fragte sie sich. Er tobte nicht, wenn man es erwarten sollte, und zeigte keine Schadenfreude, wenn es durchaus normal gewesen wäre. Mit einem Seufzer gab sie auf. „Überall kommt man schneller voran.“ Jetzt befanden sie sich zwar auf der richtigen Straße, aber Parkplätze waren hier eindeutig Mangelware. Juliet wägte kurz ab und hielt dann vor dem Buchladen in zweiter Reihe an. „Wir sind schon viel zu spät dran, Carlo. Ich setze Sie hier ab, suche einen Parkplatz und komme nach, sobald ich kann.“
„Sicher, Sie sind der Boss.“ Selbst nach fünfundvierzig Minuten im Stau schien er seine gute Laune nicht verloren zu haben.
„Wenn ich in der nächsten Stunde nicht auftauche, schießen Sie eine Leuchtrakete ab.“
„Sie schaffen das schon. Ich setze meinen letzten Penny auf Sie.“
Zur Sicherheit wartete Juliet, bis sich die Tür des Buchladens hinter Carlo geschlossen hatte, bevor sie sich wieder in den dichten Verkehr einreihte.
Zwanzig frustrierende Minuten später betrat sie selbst die gediegene kleine Buchhandlung. Sofort fiel ihr mit sinkendem Mut auf, dass es hier drinnen viel zu leer und viel zu ruhig war. Ein Buchhändler mit elegant gestreifter Krawatte und glänzenden Schuhspitzen kam auf sie zu.
„Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?“
„Ich bin Juliet Trent, Mr Franconis PR-Agentin.“
„Ah ja, natürlich. Hier entlang, bitte.“ Mit dynamischen Schritten ging er über den edlen Teppich auf eine breite Treppe zu. „Mr Franconi ist im zweiten Stock. Wirklich bedauerlich, dass der Verkehr und der ganze Trubel die Leute davon abgehalten hat, aus dem Haus zu gehen. Aber natürlich halten wir solche Veranstaltungen auch nur selten ab.“ Mit einem Lächeln für Juliet zupfte er sich eine Fluse von seinem dunkelblauen Jackett. „Das letzte Mal war ... warten Sie, lassen Sie mich nachdenken ... richtig, im Herbst. Da tourte J. Jonathan Cooper. Sicher haben Sie schon von ihm gehört. Er hat ,Metaphysik und Du’ geschrieben.“
Juliet unterdrückte den Seufzer. Wenn man bei Ebbe an Land gespült worden war und festsaß, musste man eben warten, bis die Flut wieder einsetzte.
Sie erblickte Carlo in einem anheimelnden Alkoven auf einem hübschen Zweisitzer zusammen mit einer Frau um die vierzig in einem schicken Kostüm und mit wohlgeformten Beinen. Ein solches Bild reichte inzwischen nicht einmal mehr dazu aus, dass sie auch nur eine Augenbraue in die Höhe zog. Was Juliet jedoch erstaunte, war die Tatsache, dass Carlo nicht die Frau mit seinem Charme betörte, sondern konzentriert dem etwa sechzehnjährigen Jungen zuhörte, der auf dem Sessel vor ihm saß.
„Ich arbeite jetzt schon den dritten Sommer in einer Restaurantküche. Natürlich lassen sie mich nichts zubereiten, aber ich kann oft zugucken. Zu Hause koche ich, wann immer ich kann. Doch mit der Schule und meinem Job muss das meist bis zum Wochenende warten.“
„Warum?“
Der Junge verharrte und schaute Carlo verständnislos an. „Warum was?“
„Warum kochst du?“, fragte Carlo. Er nickte Juliet kurz zu, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Jungen zu.
„Weil ...“ Der Junge blickte zu seiner Mutter und zurück zu Carlo. „Nun, es ist eben wichtig. Mir macht es Spaß, Dinge zu nehmen und sie miteinander zu kombinieren. Man muss immer konzentriert und vorsichtig dabei sein, aber dann kommen auch famose Sachen dabei heraus. Es sieht toll aus und riecht auch gut. Es ist ... ich weiß nicht.“ Der Junge senkte verlegen seine Stimme. „Ich fühle mich dann richtig wohl.“
„Genau.“ Mit vollstem Verständnis lächelte Carlo den Jungen an. „Das ist eine gute Antwort.“
„Ich habe vorher auch Ihre anderen beiden Bücher gekauft“, sprudelte der Junge hervor. „Und ich habe schon alle Ihre Rezepte ausprobiert. Ich habe sogar schon Ihre pasta al tre formaggi für eine Dinnerparty bei meiner Tante gekocht.“
„Und?“
„Es hat ihnen geschmeckt.“ Der Junge grinste. „Es hat ihnen sogar richtig gut geschmeckt.“
„Du willst studieren?“
„Auf jeden Fall.“ Der Junge senkte den Blick auf seine Knie, rieb nervös mit den Handflächen darüber. „Es ist nur ... Im Moment
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