Ein Mann fürs Grobe
diesem Smigielski und sehn wa weita.»
Smigielskis Wohnblock am Neuköllner Schiffahrtskanal, gleich an der Treptower Brücke, hatte den Charme eines Zementsilos, wirkte fast ein wenig ärmlich, doch es wohnten offenbar Leute hier, die niemals schwarz mit der U-Bahn fuhren, nie die Steuer betrogen und die alte preußische Maxime «Üb immer Treu und Redlichkeit» noch voll verinnerlicht hatten. Ein Hausmeister war gerade beim Rasenmähen, und vorsichtige Erkundigungen ergaben, daß Smigielski bei einer ehrbaren Friseuse als Untermieter und / oder Lover wohnte.
« Allet Klischee», sagte Yaiza Teetzmann.
«Gott...» Mannhardt mußte ein Weilchen nach der besten Formulierung suchen. «Fast alles ist Klischee in diesem Leben, und am meisten sind die Klischee, die sich darüber aufregen, daß ’n Exknacki bei ’ner Friseuse wohnt.»
«Kann die dir gleich ma die Haare schneiden.»
«Bei Dienstleistungen dieser Art werden sie mir ’n Disziplinarverfahren anhängen.»
«Nur, wenn de nachher mit ihr schläfst.»
«Und mich ihr Macker dann erschießt.» Mannhardt hielt inne. «Wenn nun Wuttkowski das wirklich getan haben sollte – und Smigielski ihn dafür...»
Yaiza Teetzmann stöhnte auf. «Wir sind hier nich bei ’ner Fernsehserie mit ’nem Preis für den Scheiß.»
Mannhardt war ein wenig gekränkt und verwies auf einige reale Fälle, wo Knackis sich blutig an denen gerächt hatten, die während ihrer Zeit im Gefängnis ihre Bräute gebumst hatten. «Das ist nun wirklich nicht an den Haaren herbeigezogen. Womit wir wieder bei der Friseuse wären... Also: klingle mal...»
Yaiza Teetzmann tat es, aber durch die Gegensprechanlage meldete sich ein Mann. «Ja, wat is’n...!?»
«Sind Sie Herr Smigielski?»
«Kommt drauf an, um wat et jeht...»
«Um Ihren totel Kumpel Wutti.»
«Denn komm Se mal ruff!»
Mannhardt hatte das Gefühl, Martin Smigielski schon des öfteren gesehen zu haben, was aber nur daran lag, daß Männer seines Typs an jedem Fußballsamstag zuhauf über den Bildschirm flitzten, und zwar als sogenannte Manndecker, was er wegen der Mehrdeutigkeit des Wortes «decken» eh schon immer witzig fand. Stuten wurden gedeckt, Hündinnen, Häsinnen. Nun auch noch Männer — und das mitten auf dem Fußballplatz. Kein Wunder, daß die CSU den abendländischen Werteverfall lauthals beklagte. Manndecker waren in aller Regel ein wenig bullig, ein wenig brutal – und ein wenig blöd. Smigielski schien genau von dieser Art zu sein. Auf Klischees war halt immer Verlaß.
«Na gut, der Wutti war immer mein Kumpel, astrein. Und freundschaftsmäßig haben wir nie Streß miteinander gehabt.»
Mannhardt sah sich in der kleinen Wohnung um und fand, daß die Einrichtung mehr gekostet haben mußte, als eine Friseuse und ein Haftentlassener eigentlich investiert haben durften. Und in dem TUI-Katalog, der offen auf dem Couchtisch lag, war als Reiseziel Puerto Plata angekreuzt, die Karibik also.
Yaiza Teetzmann nahm den Faden auf. «Können Sie sich vorstellen, wer Wutti erschossen hat?»
Smigielski pulte herabgeflossenes Wachs vom Tisch und legte es auf den Kerzenständer. «Na, eener von die Fixer doch. Wie’t inne Zeitung steht.»
«Eine reine Routinefrage...» Mannhardt fixierte ihn, um ihn dann zu fragen, ob er ein Alibi für die Zeit habe.
Smigielski fuhr hoch. «Wenn Se mir det anhängen wolln...!»
«Nein, nein. Wie gesagt, das haben wir alle zu fragen.»
Smigielski hatte nicht lange nachzudenken. «Mit meine Freundin hier vorm Fernseha.» Und er nannte, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, den Film, den sie in der Tatnacht gesehen hatten.
Mannhardt fand, daß der Mann rundum ein Profi war. War er aber auch so cool und hart, einen echten contract-killer abzugeben? Das war abzuwarten.
«Wir hören noch voneinander», sagte Mannhardt, als sie die Wohnung wieder verließen.
Zunächst aber hatten sie sich um Daniel Mindermann zu kümmern, Claudia Wuttkowskis Freund, den die brandenburgischen Kollegen in der Nähe des Großen Lotzinsees gesehen haben wollten. Ein entsprechendes Fax von Volker Vogeley war vorhin eingetroffen.
«Wo issen dit?» wollte Yaiza Teetzmann wissen.
«In’er Schorfheide. Aber das müßtest du als Ex-DDR-Bürgerin doch am besten wissen...»
«Weil ick mit Erich imma uff da Jagd jewesen bin, klar.»
Der Oranienburger Kollege hatte ihnen auf dem Wege der Amtshilfe grünes Licht für die Ermittlungen im Bundesland Brandenburg gegeben, mit dem man sich zwar vereinigen
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