Ein Mann fürs Grobe
der ermordete Taxifahrer ab und an eine Gruppe von fünf bis acht Personen bewirtet hatte.
«Sieht ganz nach ’ner Gang aus», merkte Mannhardt an, «und korrespondiert mit der Aussage des einen Taxifahrerkollegen in Tegel, daß Wuttkowski möglicherweise auch Autos nach Polen verschoben haben könnte.»
«Mann, du drückst da ja heute wieda so jewählt aus», kritisierte Yaiza Teetzmann ihn, auf das «korrespondiert» bezogen.
«Muß ich ja jetzt, damit mein Sohn keine sprachlichen Defizite mit in die Schule bringt.»
«Als Papst spricht er doch eh nur Latein.»
«Na, hoffentlich sind wir mit unserm Latein nicht bald am Ende, denn wenn Wuttkowski wirklich einer dieser Mafiagruppen von jenseits der Oder angehört hat...»
«Konzentrieren wir uns lieba uff diesen Freund von seiner Stieftochta da, diesen Daniel...»
«Wie heißt der weiter, hast du das schon rausgekriegt?»
«Ja, Mindermann.»
«Wär ja schön, wenn wir von diesem minderen Mann hier was finden würden: eine Drohung beispielsweise, Wuttkowski umzubringen.»
«Suchet, so werdet Ihr finden!»
«Diese verdammten Tauben hier!» Mannhardt ging deren aufdringliches Gegurre langsam auf die Nerven. Sie brüteten im stillgelegten Leuchtreklamekasten, der sich auf Höhe des ersten Stockwerks befand. Im ehemaligen Obst- und Gemüseladen lebten inzwischen Kriegsflüchtlinge aus Bosnien, von denen die Tauben oft gefüttert wurden. «Tauben, das sind nichts wie fliegende Ratten, scheißen alles voll und stecken voller Zecken.»
Mannhardt riß das Fenster auf, sah eine Reihe von Tauben oben auf dem inzwischen vom Vogeldreck weiß gestrichenen Reklamekasten sitzen und griff nach einem von Wuttkowskis Blumentöpfen, um ihn nach unten zu feuern. Doch während er noch zielte, bekam er von oben eine Ladung Wasser auf den Kopf. Die Mieterin über Wuttkowski kämpfte mit dieser Methode schon seit Jahren gegen die Neuköllner Taubenplage an. Während Mannhardt fluchte, bog sich nicht nur seine Kollegin vor Lachen, sondern auch die Alkis drüben vor der Kneipe, die schon die ganze Zeit über prolohaft gelärmt hatten, prusteten los. Mannhardt warf das Fenster wieder zu.
Nach einer Stunde hatte er wieder Hoffnung auf sein erstes richtiges Erfolgserlebnis, denn in Wuttkowskis Mülleimer fanden sich Papierschnipsel, die auf einen zerrissenen Brief hinzudeuten schienen. Er klaubte sie heraus, trug sie auf den Balkon hinaus, der mit sauberem Kunstrasen ausgelegt war, breitete sie neben zwei Gartenzwergen aus und machte sich mit Yaiza zusammen an das Puzzle. Es brauchte nicht lange, dann hatten sie herausgefunden, daß es der Versuch eines Briefes an seine Tochter war.
Liebe Claudia!
Was sie Dir erzählt haben, ist eine üble Verleumdung Deiner verstorbenen Mutter. Sie hat sich nur an mir rächen wollen. Dein Freund will mich dafür vors Gericht schleppen, sagt er. Warum haßt er mich so? Darum also, frage ich Dich. Dann ist das ein fürchterlicher Irrtum. Ich habe Dich öfters geschlagen, wo Du zehn Jahre alt gewesen bist, das gebe ich zu, und es tut mir leid, aber ich habe Dich niemals...
«Hm...» Yaiza Teetzmann fand, dies sei eher als Beweis seiner Schuld als seiner Unschuld anzusehen. «Warum hat er aufgehört und alles wieder zerrissen? Weil ihm alles wieder hochgekommen ist, wie er sie mißbraucht hat.»
Mannhardt war der Ansicht, daß sie nie herausbekommen würden, was da wirklich abgelaufen war. «Entscheidend ist doch nur die Rolle, die dieser Daniel Mindermann dabei gespielt hat. War er Wuttkowskis letzter Fahrgast und hat seine Chance genutzt...?»
«Welche Chance?»
«Na die, daß man den Mord garantiert in der Schublade Beschaffungskriminalität ablegen würde.»
«Schon komisch, dassa aus Berlin vaschwunden ist. Der Mindermann. Holt seine Freundin nich vom Flugplatz ab, sagt keenem, wo’a abjebliem is...» Sie hatten es schon mehrere Male in seiner Einraumwohnung versucht, Kreuzberg, Adalbert-, Ecke Oranienstraße, immer umsonst. Und Claudia Wuttkowski behauptete, keine Ahnung vom Aufenthaltsort ihres Herzallerliebsten zu haben.
«Erinnere dich, Mensch, daß du Staub bist und Staub wieder werden wirst», sagte Mannhardt mit Pastorenpathos.
«Meinste, der Mindermann ist ooch den Weg alles Irdischen gegangen?»
«Stell dir vor, es ist Fernsehen und du hast eingeschaltet. Was wäre dann? Der Daniel ist sehr sensibel, und er liebt seine Claudia in leicht neurotischer wie archaischer Weise. Also bringt er den Mann um, der sie geschändet
Weitere Kostenlose Bücher