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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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durchatmen und krallte seine Finger wie im Gebet ineinander.
    Sie kamen durch eine kleine Ortschaft mit dem niedlichen Namen Jütchendorf, dann ging es über die kanalisierte Nuthe hinweg in Richtung Schiaß.
    «Schiaß!» rief Schrotzer. «Klingt ja richtig bayerisch.» Und wie die Aufforderung an einen Menschen, endlich zu schießen.
    «Sind schon komische Ortsnamen bei uns in Brandenburg», sagte der Taxifahrer. «Oben bei Rathenow gibt es ein Wassersuppe, und zwischen Nauen und Ketzin hat es mal ein Dorf gegeben, das den schönen Namen Möseritz hatte. Da möchte ich als Frau nicht hergekommen sein.»
    Schrotzer stimmte in das Lachen des Fahrers mit ein. «Ich war mal zum Skifahren in Mösern, das ist bei Seefeld oben.»
    Sie sauten noch ein Weilchen herum, bis sie einen halben Kilometer vor Blankensee ein Waldstück erreichten und der Taxifahrer bremste.
    «Ein Reh?» fragte Schrotzer.
    «Nein, ich muß mal auf der Karte sehen, ob ich schon hier rechts durchkomme nach Seddin oder erst um den ganzen See rumfahren muß...» Er hielt, beugte sich nach rechts und faßte unter seine aufgeschlagene Karte.
    Als Schrotzer, der seitwärts aus dem Fenster geblickt hatte, den Kopf wieder herumdrehte, starrte er in den Lauf einer Pistole. Das sah irgendwie albern aus, und er vermochte es nicht, irgendeinen Zusammenhang mit sich und seiner Situation als Fahrgast zu erkennen, verstand das alles nicht.
    «Was soll denn das...?»
    Das waren seine letzten Worte. Dann fiel die Welt in sich zusammen wie ein Fernsehbild, wenn der Stromkreis unterbrochen wurde.

9
    Mannhardt hatte eine echte voyeuristische Lust daran, in den Sachen anderer Leute zu kramen, während Yaiza Teetzmann fremde Wohnungen eher danach taxierte, wie wohl sie sich in ihnen gefühlt hätte, wäre sie die Mieterin gewesen.
    «Sieh mal an, nach Bangkok ist die alte Sau zweimal im Jahr geflogen», stellte Mannhardt fest.
    «Such doch mal die Adresse des Hauseigentümers raus –vielleicht kann ick die Wohnung kriegen.»
    «Deswegen hättest du den Wuttkowski doch nicht umbringen müssen.»
    «Hab ick doch inna Fortbildung jelernt: die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren.»
    Mannhardt sah auf. «Wie bitte?»
    «Beseitigen, wat ei’m im Wege is.»
    «Klar, immer Kosten – Nutzen – analytisch denken und: Menschen haben wir zu viele, Wohnungen zu wenig.»
    Sie durften und mußten sich in Wolfgang Wuttkowskis Wohnung umsehen, weil nicht auszuschließen war, daß sein Mörder in einer engen Beziehung zu ihm gestanden haben konnte. Weisestraße 50, 12049 Berlin. Vor vier Jahren war Wuttkowski hierher nach Neukölln gezogen, ins alte Rixdorf zwischen der vermieften Hermannstraße und dem Flugplatz Tempelhof, in eine Gegend, die immer mehr herunterkam. Soviel Hundekacke wie hier hatte er noch nirgends gesehen. Auch wenn man die Augen stets auf die Gehwegplatten oder das Kleinpflaster gerichtet hatte und Slalom um die Haufen lief, trat man irgendwann doch einmal in das hinein, was ältere Berliner das «volle Menschenleben» nannten. Schön, als Eingeborener hatte er so manche Technik entwickelt, die Hundescheiße wieder von der Schuhsohle abzubekommen, doch ärgerlich war es allemal. Dabei ging doch die Sage, daß es Glück bringen sollte. Am leichtesten war die Reinigung, wenn man die braune Schmiere an irgendeinem Grasbüschel abwischen konnte. Auch Pfützen waren gut, weil man den verdreckten Schuh in ihnen gleichsam baden konnte. Aber was tun, wenn der GAU sprich: Doggenschiß – eingetreten war und es weder Regenwasserreste noch Grasbüschel gab? Blieb das bloße Abstreifen am Kantstein, wobei aber zwischen Sohle und Hacken noch soviel an Fäkalienmasse hängengeblieben war, daß es in Wuttkowskis Wohnung nun ein wenig zooähnlich roch.
    «Bloß jut, detta det nich mehr mitbekommt», fand Yaiza Teetzmann. «Wo’t doch hier so sauba is.»
    «Für einen Junggesellen sehr erstaunlich», stellte Mannhardt fest. «Dieser Mensch muß von einer krankhaften Ordnungsliebe erfüllt gewesen sein. Hinter der Fassade allerdings...»
    Sie fanden allerlei Hinweise auf Wuttkowskis nicht ganz so bürgerlichen Lebenswandel. Anhand von angekreuzten Telefonnummern auf den entsprechenden Anzeigenseiten von BZ und anderen Blättern ließ sich schließen, daß Wuttkowski gerne die sexuellen Hilfen molliger Damen in Anspruch genommen hatte, und säuberlich abgeheftete Rechnungen von meist exjugoslawischen Speiselokalen im Großraum Kreuzberg und Neukölln zeigten ihnen an, daß

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