Ein Mann fürs Grobe
möglicherweise totgeht dabei...»
«Auch das ist geklärt. Das Land Berlin übernimmt die volle Haftung.»
«Wie das?»
«Taxifahrermorde haben einen hohen Stellenwert für das Sicherheitsgefühl der Bürger. Sagen wir es einmal zynisch...» Die Aurak zündete sich eine Zigarette an. «Kein Berufsstand macht soviel Geschrei, wenn eines seiner Mitglieder bei der Arbeit beziehungsweise im Dienst ermordet wird.»
«Abgesehen mal von Staatsmännern und Politikern», entfuhr es Mannhardt, und er zuckte sofort zusammen, war doch nun sicher, daß sie ihn mächtig zusammenscheißen würde.
Doch die Aurak lächelte nur milde. «Was wir mal nicht so laut sagen wollen...»
Mannhardt konnte es noch immer nicht fassen. «Dann steht dem also nichts mehr im Wege, daß ich mich in eine Taxe setze und selber fahre?»
«Nein. Wenn wir für zwei Tage und Nächte eine anmieten, ist das auch nicht viel teurer, als wenn Sie pausenlos als Fahrgast drinsitzen. Außerdem hab ich darauf hingewiesen, daß Sie ja auch als Lockvogel fahren.»
«Ja, ich hab ja gesagt, daß ich mich bevorzugt an die Plätze stellen werde, wo die Leute einsteigen, um in die abgelegenen Außenbezirke zu fahren: Tegel vor allem und Waidmannsluster Damm, aber auch andere Plätze im Norden, dann Rudow, Wannsee und so weiter.»
«Ja, machen Sie mal.»
«Ich muß wirklich ’n Gefühl für das Milieu kriegen, sonst wird das nie was, daß wir den Täter fassen.»
Wieder lächelte sie. «Ach, geben Sie doch zu: Es war schon immer Ihr Kindertraum, mal Taxifahrer zu werden.»
«Nein, das auf keinen Fall. Ich wollte immer vorne in der S-Bahn im Führerstand stehen.» Und die Stimmung war so gut, daß er unwillkürlich das typische Fahrgeräusch der über sechzig Jahre alten Berliner S-Bahn-Züge nachmachte. Ööööhhhh...»
«Hoffen wir auf einen S-Bahn-Mörder demnächst», sagte die Aurak.
«Einen zweiten. Den ersten gab’s ja schon: Paul Ogorzow, 1940-41. Fünf Morde und zwei Mordversuche auf der S-Bahn, einige weitere an der S-Bahn-Strecke.»
Die Aurak nickte. «Richtig. Hoffen wir, daß unser Taxifahrermörder nicht auch eine so große Strecke haben wird. Ich drücke Ihnen jedenfalls alle verfügbaren Daumen.» Sie stand auf, um Mannhardt die Hand zu geben.
«Herzlichen Dank, ja...»
Als er draußen auf dem Flur stand, kam er sich vor wie ein Schüler, der zum Rektor gerufen worden war und statt der erwarteten Strafe ein dickes Lob erhalten hatte.
Sie saßen bei Pantalone , dem Frohnauer Italiener, im schattigen Garten.
«Sei froh now...» Mannhardt zerlegte seine Seezunge. «Kannst du mir erklären, warum die Aurak plötzlich eine ganz andere gewesen ist?»
Heike rollte ihre Spaghetti auf die Gabel. «Das kannst du dir doch denken...»
«Kann ich eben nicht.»
«Kleine Eselsbrücke: Es hängt mit mir zusammen...»
Mannhardt ärgerte sich langsam über ihre Arroganz. «Hast du mit ihr geschlafen?»
«Gott, an was anderes können Männer auch nicht denken!»
«Nein, wozu auch? Das hat sich doch über die Jahrtausende bewährt, und alles andere gefährdet nur das Patriarchat.»
Ihre Stimmen waren unwillkürlich etwas schriller geworden, und sofort begann ihr Sohn zu schreien.
Heike blaffte ihn an. «Mußtest du unbedingt den Papst wach machen!?»
Mannhardt hob segnend die Arme. «Pax tecum. Der Friede sei mit dir, o Geliebte!»
Die italienischen Ober kamen herbeigestürzt, um Silvester wieder zu beruhigen. Sie schoben den Wagen hin und her und sangen Wiegenlieder. Das war gut gemeint, schürte aber das Feuer weiter an.
Heike strahlte. «So sein, das können nur die Italiener.»
Mannhardt wußte, daß sie einige italienische Männer gehabt hatte, und schaffte es nicht, seiner postkoitalen Eifersucht Herr zu werden. «So rein, das können nur die Italiener...»
«Womit du so recht hast!»
«Dann kannst du’s ja mit mir bleibenlassen.»
Heike stöhnte auf. « Können wir bitte das Thema wechseln.»
«Okay: Ich wechsele das Thema – und du die Windeln.»
«Umgekehrt.»
«Na schön. Der Dümmere gibt nach.» Mannhardt stand auf, rollte den Kinderwagen ein wenig zur Seite und machte sich ans Werk. Nachdem er die volle Windel drinnen im Lokal entsorgt hatte, durfte er seine kalte Seezunge zu Ende essen. Ihr Gespräch kam nur schleppend wieder in Gang.
«Schmeckt dir’s?» fragte er.
«Hast du ’ne Fortbildungsveranstaltung besucht: ‹Wie mache ich Konversation mit einer Frau, der ich nichts zu sagen habe›...?»
Er stand auf
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