Ein Mann fürs Grobe
ihrem guterhaltenen Fachwerkhäuschen und winkte ihm zu. Fast schon war es ein Befehl, anzuhalten und mit ihr ein paar Worte zu wechseln. Mit ihren drei übereinander angezogenen Kittelschürzen wirkte sie so aufgeplustert wie ein Gendarm zu Kaisers Zeiten. «Ich brauch mal wieder Ihre Hilfe.»
Gottergeben bremste Tscharntke. An sich hatte sie das Geld, sich eine Frau zu leisten, die für sie wusch und kochte und für sie einkaufen ging, doch Vera Lewandowski schwor noch immer auf die Solidarität aller Dorfbewohner, und als solchen sah sie auch Hartmut Tscharntke, obwohl der ja eigentlich Berliner war und nur hier wohnte, weil seine Frau ihn rausgeschmissen hatte.
«Womit kann ich dienen?» fragte Tscharntke.
«Montag um acht muß ich beim Arzt in Potsdam sein, zur Blutabnahme. Wenn Sie mich da hinfahren könnten.»
«Aber ja, Frau Lewandowski.» Tscharntke zog einen kleinen bunten Zettel aus der Jackentasche und schrieb sich alles auf. Sicher, die alte Frau war immer nahe dran, ihn – wie viele andere auch – ein wenig auszubeuten, doch immerhin war sie gehbehindert und kam ohne ihre Krücke kaum voran, und er mochte sie auch, weil sie ihn an seine eigene Oma erinnerte und die Zeiten, da er nicht geahnt hatte, welchen Weg er einmal gehen würde, gehen mußte, um zu überleben. Zudem mußte er sich die Lewandowski warmhalten, damit sie nicht auf die Idee kam, ihren Bauernhof an einen anderen zu vermieten oder gar zwecks Bebauung an einen Makler zu verkaufen.
Vera Lewandowski kramte ihren Einkaufszettel aus der Schürzentasche. «Und das hier aus der Kaufhalle... Wenn Sie heute noch hinfahren... Oder Montag gleich, wenn Sie aus Potsdam kommen.»
«Aber ja...» Tscharntke versprach auch das und wollte sich mit einem schnellen Gruß wieder aufs Rad schwingen, doch erst noch war ein kleines Schwätzchen zu halten. Vera Lewandowski bestand darauf. Erst als die Kirchturmuhr ewig lange schlug und er beim Mitzählen bei der Zwölf angekommen war, wurde ihm gestattet weiterzufahren.
Jetzt galt es, im Akkordtempo das zu schaffen, was heute noch erledigt werden mußte. Kaum war er auf seinem Hof zurück, warf er das Rad in die Ecke und verschloß alle Türen. Der Backofen stand nicht auf dem Hof, sondern befand sich in einem separaten Gebäude. Das minimierte die Gefahr, mit Schrotzers Leiche gesehen zu werden. Wenn er sie von der Scheune, wo er sie aus seiner Taxe gezogen hatte, über den Hof schleifte, würde ja nicht gerade ein Polizeihubschrauber über Wildenbruch kreisen, obwohl man ja nie wußte.
Er ging in die Scheune und schlug das Stroh zurück. Um Schrotzers zerschossenen Kopf hatte er einen blauen Müllsack gewickelt. Diesen Anblick ertrug er am wenigsten. Er griff sich die Beine des Soziologen und schleifte ihn zur Tür. Die Totenstarre begann sich zwar schon langsam zu lösen, aber dennoch hatte er das Gefühl, daß es sich um eine Schaufensterpuppe handelte. Als er auf den Hof kam, drehte er sich um und zog Schrotzer hinter sich her. Auf dem alten Kopfsteinpflaster hüpfte der Kopf des Toten auf und ab wie ein Ball auf der Minigolfbahn.
Es ging alles glatt, und er übergoß Schrotzer noch ein wenig mit Brennspiritus, ehe er ihn mit einem kraftvollen Ruck in den Backofen stieß. Natürlich erreichte er nicht die Hitze, die in den Brennkammern eines Krematoriums herrschte, aber immerhin kam er seinem Ziel ein gehöriges Stück näher, daß sich nämlich ein Mensch in Luft auflöste. Gegen den verräterischen Geruch, der beim Verbrennen von Leichen entstand, versuchte er dadurch anzukommen, daß er mit Lindenholz heizte und eine reichliche Menge von Kräutern der Provence hinzugefügt hatte. Zudem hatte er im Abzug selbstentwickelte Filter installiert. Zu allem Überfluß grillte er auch noch mit möglichst großer Rauchentwicklung draußen im kleinen Kräutergarten.
Die Taxe zu säubern hatte ihn trotz der auswechselbaren Schonbezüge eine ganze Nacht gekostet. Diese feinen Spritzer von Blut und Gehirn waren teuflisch schwer zu finden und zu beseitigen, aber er hatte sich in dieser Sache allmählich zu einem absoluten Spezialisten entwickelt.
Als die Gäste kamen, die Brotbäcker wie die anderen, war die Asche mitsamt den übriggebliebenen Knochenstücken längst aus dem heißen Ofen gefegt. Sie war abgelöscht und ruhte in einem alten Faß, das er im Keller eingeschlossen hatte.
Die nächsten beiden Stunden vergingen wie im Fluge. Während die Brote im Ofen steckten, saßen sie in froher Runde
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