Ein Mann fürs Grobe
Taxifahren? Aber klar doch.
– Ihr neuer krisenfester Arbeitsplatz könnte eine Taxe sein.
– Die verschärfte Variante – in 11 Wochen intensiven Trainings bis zum bestandenen P-Schein!!!
– Über Sein oder Nichtsein... entscheidet oft der P-Schein.
– Dusche mit angeschlossenem Taxibetrieb sucht Leute, die vor dem Duschen gern Taxe fahren würden.
Mannhardt staunte. «Da haben wir so viele Arbeitslose, und sie suchen Taxifahrer noch und nöcher.»
«Scheint doch nicht der absolute Traumjob zu sein. Aber geh doch mal hin zu so einer Taxischule und hör dich da um.»
«Gute Idee. Kann ich wenigstens behaupten, ohne rot zu werden, daß ich wirklich mal eine Taxifahrerschule besucht habe. Die hier klingt gut: ‹Rikscha›.»
Hinter dem Namen «Rikscha-Taxis» verbarg sich eigentlich nur ein Taxiunternehmen in der Kreuzberger Nostizstraße, das Übungsmaterial verteilte und zweimal in der Woche einen pädagogisch begabten Studenten über seine Erlebnisse als Kutscher plaudern ließ. Der Chef und Eigentümer von drei Dutzend Wagen war Claudius, ein 68er mit Chinesenzopf und panthergrauen Haaren. Er hatte zwanzig Semester Psychologie hinter sich gebracht und dann die Schnauze voll gehabt. «Weißt du, wer zum Psychiater geht, sollte sich auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen.» Mannhardt hatte er auf den zweiten Blick durchschaut. «Du willst doch gar nicht Taxifahren lernen bei mir, du bist doch einer von den Kripomännern, die den Wuttkowski-Mörder finden sollen.»
« Nicht schlecht...»
«Junge, was willste denn nu wissen von mir?»
«Alles, was mich weiterbringen könnte.»
Claudius nickte. «Hol mal deinen Block aus der Tasche... Zum Mitschreiben: 7000 Taxen haben wir in Berlin und 23000 geprüfte und amtlich zugelassene Fahrer.»
Mannhardt war im Kopfrechnen eine Klasse für sich. «Kommen auf jeden Wagen 3,3 Fahrer... Da is ja kaum noch Platz für die Fahrgäste...»
«Ja, besonders für die 0,3, die Torsos alle. Aber das ist ja dein Bier. Aber trotzdem sind wir immer knapp an Fahrern. Besonders dann, wenn wieder einer dahingemeuchelt worden ist.»
«Vielleicht ist auch der Stundenlohn nicht hoch genug», gab Mannhardt zu bedenken.
«Komm, Junge! Dreißig Mark die Stunde kannste machen, wenn du ’n bißchen clever bist und den richtigen Instinkt dafür hast, ’ne Spielernatur mußte sein.»
«Aber beim P-Schein kann man nicht tricksen...?»
«Bei der Ortskundeprüfung: knallhart sind die. Etwa zwanzig prüfen sie die Woche – und die Hälfte von denen fällt durch. Diese verdammten Zielfahrt-Fragen. Sagen Sie mal, Herr Mannhardt, wie kommt man auf dem kürzesten Wege von hier zum Gertrauden-Krankenhaus?»
Mannhardt schloß die Augen und schoß los. «Bergmann-, Kreuzberg-, Monumenten-, Langenscheidt-, Grunewald-, Berliner Straße. Dann links ab in die Uhlandstraße und über die Mecklenburgische zur Paretzer Straße.»
«Mann, Klasse!» Claudius umarmte Mannhardt und küßte ihn links, rechts auf die Wange. «Willste gleich morgen anfangen bei mir? Wenn du immatrikuliert bist, kriegst du 52 Prozent Kasse bei mir.»
«Wenn das kein Angebot ist. Was studier ich denn da...?»
«Machst du Kriminologie, kannste doch schon alles.»
«Das hat es als Fach an der Uni nur im Osten gegeben, früher, jetzt nur noch an der Fachhochschule... und da kann man nur hin, wenn man Berufsanfänger ist und nicht als Kommissar.»
«Dein Pech, du. Bei mir sofort. Den P-Schein hast du in acht Wochen. Dreihundert Mark und ’n Vertrag, daß du später nur für ‹Rikscha› fährst.»
«Ich in meinem Alter: andauernd die Nachtschichten, der Raubbau an der Gesundheit. Außerdem: Ich muß erst mal Wuttkowskis Mörder finden. Hast du nicht ’n Tip für mich?»
«Du, ich hab mir früher mal so viel an Psychologie reingezogen, daß ich sagen würde, es war ’ne Beziehungstat. Der hat den Wuttkowski nicht wegen der paar Groschen umgebracht, sondern aus’m Affekt heraus.»
Mannhardt nickte und hätte fast gesagt: Daniel Mindermann, na klar.
Es war 21 Uhr, und Mannhardt stand mit seiner Taxe am U-Bahnhof Alt-Tegel. Was kein Zufall war, denn anhand des Fahrpreises auf Wuttkowskis Uhr hatten sie schließen können, daß dessen letzter Fahrgast etwa sieben Kilometer mit ihm gefahren war, und in diesem Umkreis lagen die Halteplätze: Tegel / Karolinenstraße, Frohnau / Zeltinger Platz, U-Bhf. Holzhäuser Straße, Waidmannslust / Zabel-Krüger-Damm, Wittenau / Taldorfer Weg, Wilhelmsruher Damm und
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