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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Meinung.
    Mannhardt steckte das Foto wieder ein und musterte seine drei Kollegen. Der erste war vom Typ Altberliner Bierkut scher, dick und gemütlich, beim zweiten tippte er auf Ex-DDRler, Stasi- oder NVA-Leutnant, grau und verkniffen, und der dritte sah aus wie ein Psychologie-Student zwischen Diplom und Dissertation.
    «Hast du mal nachgefragt, ob wieder welche aus der Nervenklinik hier oben ausgebrochen sind?» fragte der vermeintliche Psychologe.
    «Ja, da war aber nichts.» Mannhardt kam zu seiner Standardfrage. «Hat denn keiner Wuttkowski hier in Tegel losfahren sehen oder irgendwo anders vom Halteplatz?»
    «Nee. Wir ham uns ooch schon umjehört.» Das war der Bierkutschertyp.
    Mannhardt hoffte auf die Stasi-Erfahrung des zweiten Fahrers und sah ihn erwartungsvoll an. «Aber einer muß doch vor oder hinter Wuttkowski gestanden haben, wenn er an einem Halteplatz gewartet hat.»
    «Ja, wenn... Und außerdem gibt es ja auch Zeiten, wo man alleine an einem Halteplatz steht.»
    «Richtig, ja.» Daran hatte Mannhardt nicht gedacht. «Hat denn sonst einer von euch ’ne Idee, was man noch machen könnte...?»
    Die drei Taxifahrer sahen nachdenklich zum Wasser hinüber, wo sich die Fahnen wie die Gewänder tanzender Frauen im Nachtwind bauschten.
    «Die Todesstrafe für Taxifahrermörder wäre das einzige», sagte der verkniffene Typ.
    «Das hilft bestimmt», erwiderte der Psychologe. «Sieht man ja in den USA: Kein Mord mehr in den Bundesstaaten, wo sie die Todesstrafe haben.»
    Der Bierkutscher lachte. «Hoffen, det et ’n Serientäter is – und ihm denn beim zweetenmal erwischen.»
    «Nachdem er dich umgebracht hat!» riefen die anderen.
    «Dafür bin ich ja da: zum Umgebrachtwerden», sagte Mannhardt. «Wenn ’n Verdächtiger bei euch einsteigen will, reicht ihn bitte weiter durch bis zu mir nach hinten.»
    «Okay.»
    Doch die Sache klappte nicht, was er bekam, war eine Rentnerin von über achtzig Jahren, und die brach ihm den Wagen mit Worten voll. «Da hat man drei Kinder und acht erwachsene Enkel – und keiner ist in der Lage, mich vom Kudamm abzuholen. Aber erben wollen sie alle. Fünfhunderttausend Mark hab ich für meine Apotheke bekommen. ‹Oma, wir tun alles für dich !› Ja, mit dem Mund. In meinem Alter nachts noch alleine auf der Straße... Klar, wenn mir was passiert, kommen sie ja eher an mein Geld heran. In der U-Bahn: diese vielen Ausländer und Bettler alle. Dauernd steigt einer ein und macht Musik, dieser Lärm! Oder die vielen Aidskranken.»
    Mannhardt nutzte den Moment, in dem die alte Dame Luft holen mußte, und fragte, wohin sie denn wolle.
    «Ins Altenheim, Falkentaler Steig. Alle haben sie ja Häuser und große Wohnungen, aber keiner nimmt mich bei sich auf.»
    «Nicht jeder will eben Selbstmord begehen...», murmelte Mannhardt.
    «Wie...!?» Zum Glück hörte sie schwer. «Und was eine U-Bahn-Fahrt heute alles kostet!»
    «Hätten Sie sich doch gleich am Kudamm ’ne Taxe genommen...»
    «Wie...! ? Ach so, nein, das ist mir zu teuer.»
    «Ich denke, Sie haben eine halbe Million...»
    «Trotzdem. Ich bin ja Krankenschwester gewesen... Immer die alten Menschen waschen und aus’m Bett heben, da kann ich meine Arme kaum noch bewegen. Ja, damals in Lychen, da war das noch was anderes. Nette Leute hatten wir da. Mit der Frau von Rudolf Heß bin ich über den See gerudert. Eine schrecklich nette Frau. Aufgewachsen bin ich aber in Tegel, kennen Sie Tegel? Ja, sicher. Wie haben wir als Kinder immer gesagt: ‹Auf dem Tegeler See, kocht ein Segler Tee.› Taxifahrer – da haben Sie’s ja auch nicht leicht. Immer diese Morde. Na, vor mir brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich fahr ja selten Taxe. Mein Enkel aus Lübars, der fährt öfters Taxe, wenn er zuviel getrunken hat. Obwohl er nie Geld hat. Keine Laus auf der Naht, wie man früher gesagt hat. Immer ’ne schicke Freundin und schnelle Autos, aber keine Arbeit. ‹Oma, kannst du mir mal hundert Mark borgen?› Mach ich aber nicht mehr, soll er sehen, wie er weiterkommt.»
    Mannhardt horchte auf. Nein, das wäre des Guten zuviel gewesen, und soviel an Zufall war nicht mal in einem schlechten Drehbuch erlaubt. Oder doch? Wie kam er an den Namen des Knaben heran. Ganz einfach: Er erbot sich, die alte Dame mit der Logorrhöe – so lautete, wie er von Heike wußte, die medizinische Bezeichnung für den krankhaften Redefluß – bis zur Tür zu bringen, und fragte sie dann, auf welchen Klingelknopf er drücken müßte.
    «Auf Schumacher.

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