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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Deutschland, keine niveauvollen Diskussionen, keinen Film mehr, keine Literatur. Bescheuerte Kriminalromane lesen die Leute. Geschrieben von bescheuerten Autoren. Ich komm da gerade von einem. Die Medeia lassen sie zum Krimi verkommen. Ich will wieder nach Paris, ich will wieder nach New York. Deutschland ist doch nur noch intellektuelles Brachland. Keine geistige Größe, kein Niveau, finsterste Provinz. Nichts können sie hier. Sie sehen mich, zucken zusammen und merken, was für Zwerge sie sind. Die Männer – Kastraten alles! Deutsche Bierbäuche, deutsche Schrumpfhirne! Die verstehen nicht einmal, das tapfere Schneiderlein zu analysieren, und wollen mir sagen, wie ich die Medeia anzulegen habe.»
    «Wollten Sie die Rolle haben?» fragte Mannhardt. «Die Medeia spielen.»
    «Woher wissen Sie, daß ich Schauspielerin bin?»
    «Ich glaube, ich hab Sie mal in einem Sexfilm gesehen.»
    «Halten Sie an, ich kann es in diesem Wagen nicht mehr aus halten. Luft! Lassen Sie mich raus!» schrie die Diva. «Die deutschen Taxifahrer müßte man alle ermorden, alle!»
    Mannhardt hielt vor dem Hermsdorfer Friedhof. «Den Fahrpreis erlasse ich Ihnen. Damit Sie ’ne Anzahlung für Ihren Psychiater haben!» Ein derart hysterischer Charakter war ihm noch nie begegnet, diese furchtbare Überhöhung des eigenen Wertes und der Anziehungskraft, diese Großtuerei, dieser Hang zur Furie, wenn man ihr nicht zustimmen wollte. O Gott! Er gab Gas, und das war gut so, weil sie ihm einen Pflasterstein nachgeworfen hatte.
    Mannhardt stöhnte. Die Nacht war lang, und wenn das so weiterging, war er morgen früh ein Wrack. Was tun? Er beschloß, erst einmal in aller Ruhe mit ausgeschalteter Fackel durch die Straßen zu rollen und sich wieder zu erholen. Zu viele Leerkilometer, Schrecken aller richtigen cab drivers, hatte er ja nicht zu befürchten.
    So kurvte er einige Zeit durch Hermsdorf, Waidmannslust und Wittenau, immer auf der Suche nach einem jungen Mann, der so aussah, wie man sich einen Drogenabhängigen vorzustellen hatte. Im geheimen wußte er natürlich, daß das irgendwie blödsinnig war, blinder Aktionismus, wie man früher gesagt hatte. Nichts sprach dafür, daß der Täter innerhalb so kurzer Zeit zum zweitenmal einen Taxifahrer erschoß. Oder doch einiges? Was hatte er bei seinen Fortbildungslehrgängen in Psychologie immer gelernt: Verhalten, für das wir belohnt werden, wiederholen wir. Also. Und auf dieser Annahme be ruhte ja auch der ganze Perseveranz-Ansatz.
    « Hallo, Taxi!»
    Oranienburger Ecke Wittenauer Straße stand ein Mann von knapp dreißig Jahren auf der Straße und winkte. Mannhardt wollte erst gar nicht halten, denn das war nun wirklich nicht der Typ, nach dem er fahndete. Der Kopf gestylt wie bei einem Triathleten, schwarze Borstenhaare, Schnauzbart, Haut mit Sonnenstudiotönung, Goldkettchen, weißes Hemd mit dunklem Schlips, schwarze Hosen und nachgemachte Rolex-Uhr. Wahrscheinlich ein Vertreter. Versicherungen, Alarmanlagen, Leasing von diesem und jenem. Mannhardt stoppte nun doch, ohne recht zu wissen, warum.
    Der Schickimicki öffnete die hintere Tür und schwang sich in den Wagen, «...’n Abend. Zum Bahnhof Schöneweide.»
    «Ja.» Mannhardt zeigte wenig Begeisterung, denn es ging auf 23 Uhr zu, wurde also langsam spannend, und er wäre liebend gern im Norden geblieben. Nach Schöneweide aber mußte er nun durch die ganze Stadt hindurch – und wußte nicht einmal genau, wie er zu fahren hatte. Natürlich kannte er Stadtteil wie Bahnhof, aber als Westberliner war er noch immer etwas unsicher, was die Fahrerei in Ostberlin betraf. Das war nicht nur eine Sache der verständlicherweise lange nicht so gut entwickelten Ortskenntnisse, sondern hing auch mit der immer noch nicht ganz abgebauten Angst vor den als sehr willkürlich empfundenen Vopo-Kontrollen zusammen. Reflexhaft hörte er die alten Sprüche: «Nu machen Se doch mal den Kofferraum auf», Fahrn Se mal rechts ran», «Kann ich mal Ihre Papiere sehn», Was liegt’n da im Kofferraum?». Vielleicht hätte er doch auf den Stadtplan sehen sollen, aber das verbot ihm sein Stolz als Eingeborener. Die ungefähre Richtung wußte er – Alexanderplatz, Friedrichshain, dann irgendwie durch Kreuzberg durch, Treptow oder Neukölln. Zum Glück schien sein Fahrgast nicht aus Berlin zu sein.
    «Sind Sie Ausländer?» fragte er.
    Mannhardt war verblüfft. «Nein, wieso?»
    «Weil ich heute morgen mit einem Türken und heute mittag mit einem Polen gefahren bin. Ich

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