Ein Mann - Kein Wort

ich selbst noch Single war, habe ich nicht selten verwundert beobachtet, wie geringschätzig und kritisch verheiratete Frauen über ihre Männer sprachen oder mit ihnen umgingen. Es lag mir oft auf der Zunge, ihnen zu sagen: »Ihr wisst gar nicht, was ihr an eurem Partner habt. Ihr schätzt seine Vorzüge nicht –
ich
sehe sie sehr wohl! Ihr müsstet wohl einmal eine Zeit lang allein leben, um wieder zu erkennen, wie gut es euch geht!« Und in der Tat – oft habe ich erlebt, dass erst der Tod des Lebensgefährten den Menschen schlagartig klarmacht, wie viel Farbe und Bereicherung dieser (wenn auch manchmal anstrengende oder schwierige) Mensch an ihrer Seite in ihr Leben brachte. Auch ein Weggehen des Partners löst häufig diese blitzartige Erkenntnis aus – dann ist es jedoch meist zu spät. Zu Recht sagt ein altes Sprichwort: »Was man hatte, schätzt man erst, wenn man es verloren hat.« Doch das muss nicht so sein!
    Wenn man über den anderen seufzt oder stöhnt, sollte man sich deswegen immer wieder einmal fragen: »Ginge es mir wirklich besser, wenn ich allein wäre? Ich hätte dann zwar mit Sicherheit ein paar Probleme weniger – aber dafür eine Menge neuer, anderer Probleme!« Und es ist darüber hinaus hilfreich, im Geist immer wieder einen Schritt zurückzutreten und sich das menschliche Kunstwerk »mein Partner« aus etwas mehr Distanz anzuschauen. 71 Allzu viel Nähe schafft nämlich auch häufig eine gewisse Blindheit, vergleichbar dem Betrachter, der zu nahe vor einem Bild oder einem kunstvoll gewobenen Teppich steht und nur ein Wirrwarr von Linien und Farben, aber keine wohldurchdachten Muster mehr erkennen kann.
    Höchst hilfreich ist es auch, zu hören, wie
andere Menschen
den eigenen Partner wahrnehmen und einschätzen. Natürlich kennen und erleben sie ihn nicht so intim und ungeschminkt, wie wir ihn im Alltag wahrnehmen. Dennoch sollten wir ihre Worte nicht sofort in den Wind schlagen mit der Bemerkung: »Du kennst ihn/sie nicht so gut wie ich!« Denn sie öffnen uns nicht selten die Augen für dasKostbare und Besondere am Partner – für das, was wir möglicherweise schon lange nicht mehr bewusst wahrnehmen und nicht mehr genügend würdigen.
    An dieser Stelle könnte man allerdings einwenden, dass sich Anerkennung und Wertschätzung auf mannigfaltige Weise mitteilen lassen – und nur eine davon ist die Sprache. Das ist richtig. Formen der stillschweigenden Liebe und Achtung vor dem anderen, auch der stillschweigend übernommenen Verantwortung gehören zu einer Partnerschaft selbstverständlich dazu. Denn was nutzen die schönsten Liebesbeteuerungen, wenn im
Verhalten
des Liebenden davon wenig zu erkennen ist? Man glaubt sie ihm im Lauf der Zeit immer weniger und denkt sinngemäß: »Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!« 72 Solche Haltungen und Handlungen, Formen und Gesten der Liebe und Wertschätzung können beispielsweise sein:
     Materielle Versorgung und Großzügigkeit
    Man schafft materielle Voraussetzungen, um dem Partner ein sicheres oder gutes Leben zu ermöglichen. Untersuchungen haben ergeben, dass in allen Ländern
großzügige
Männer von Frauen als besonders attraktiv empfunden werden (was schon deswegen nicht weiter verwundert, weil der Großteil der Frauen immer noch in hohem Maß materiell von den Männern abhängig ist).
     Zuverlässigkeit
    Die Bereitschaft, zu seinem Wort zu stehen, ist eine Form der Wertschätzung des anderen, denn man hat den Wunsch, sein Vertrauen nicht zu enttäuschen.
     Treue
    Sie setzt ebenfalls voraus, dass man das Vertrauen des anderen nicht missbrauchen möchte, sondern ihm eine exklusive Position im eigenen Leben zugesteht.
     Solidarität und Loyalität in Notzeiten
    Auch dieses Verhalten verlangt, wenn es nicht nur aus anerzogenem Pflichtgefühl geschieht, eine Haltung der Liebe und Verbundenheit: »Du bist es mir wert, dass ich auch dann zu dir stehe, wenn es für mich selbst mit Einschränkungen und Opfern verbunden ist.«
     Verzicht auf Angriffe und Bloßstellungen in der Öffentlichkeit
    Gegenseitige Achtung zeigt sich auch darin, dass man die Würde des Partners respektiert und in Gegenwart Dritter auf abwertende oder beschämende Äußerungen und Handlungen verzichtet. Dazu gehört auch, dass man dem Partner im Beisein der Kinder weder mit Worten noch Taten in den Rücken fällt (es sei denn, er übt mit Worten oder Taten Gewalt aus).
     Geduld und Toleranz
    Gerade in der Bereitschaft zur Geduld und