Ein Mann - Kein Wort
an und entgegnete mit allem Nachdruck, den sie in ihre leidende Stimme legen konnte: »Da gibt’s nichts zu loben!!!« – »Dann«, sagte ich, »brauchen Sie sich auch nicht zu wundern, dass er so empfindlich ist. Auch Männer brauchen Lob!«
Wenn ich in meinen Vorträgen diese Episode erzähle, reagieren die Zuhörer(innen) meist mit schallendem Gelächter. Zu offensichtlich ist die einseitige Wahrnehmung der Frau, zu offensichtlich auch die Ungerechtigkeit, die in ihrem ratlosen, aber ehrlich gemeinten Urteil über ihren Ehemann durchscheint. Nicht zuletzt ist ihr fassungsloses Erstaunen, mit dem sie auf meine Frage reagierte, höchst verräterisch: Wie soll ein Mann sich wohlfühlen an der Seite einer Frau, die nichts, aber auch gar nichts Positives mehr an ihm erkennen kann?
Hier wäre es vonseiten dieser Frau nur konsequent, die Beziehung zu beenden, anstatt den Partner mit Kritik und »Umerziehungsversuchen« noch mehr in den Rückzug zu treiben. Doch auchder frustrierte Mann müsste irgendwann Konsequenzen ziehen, indem er das Wort ergreift und sagt: »Hör mal, wenn du an mir nur noch Eigenschaften findest, die dir nicht gefallen, dann hat es für uns beide keinen Sinn mehr, uns gegenseitig das Leben schwer zu machen.« Doch trotz dieses beiderseitigen Leidens aneinander dauern solche Ehen – von denen es ja nicht wenige gibt – oft lebenslang, weil keiner von beiden Partnern den Mut oder die Kraft hat, einen Schnitt zu machen – und weil häufig auch materielle und praktische Gründe gegen eine Trennung sprechen. Nicht zuletzt scheinen viele ältere Menschen nach der Devise zu leben: »Jemanden zu haben, über den man sich ärgern kann, ist immer noch besser, als niemanden zu haben …«
Tatsache ist zum einen, dass es mit zunehmender Dauer einer Partnerschaft in der Tat schwieriger wird, die positiven Eigenschaften des Partners bewusst und wertschätzend wahrzunehmen. Tatsache ist zum Zweiten, dass es mit zunehmender Dauer einer Lebensgemeinschaft – zumal wenn gemeinsame Kinder oder Enkel da sind – auch schwieriger wird, sich zu trennen.
Und Tatsache ist zum Dritten, dass wir in einer Gesellschaft leben, die dem Ausdrücken von Kritik und Unzufriedenheit wesentlich mehr Raum und Bedeutung beimisst als dem Mitteilen von Lob, Dankbarkeit oder Zufriedenheit. Die Schwaben, zu denen ich selbst gehöre, haben aus diesem riesigen Ungleichgewicht zwischen geäußertem Lob und geäußertem Tadel sogar noch eine Art bewusster Lebenshaltung gemacht, indem sie das Sprichwort schufen: »Net g’schempft isch gnuag g’lobt!«, auf Schriftdeutsch: »Nicht geschimpft ist genug gelobt!«
Wer nach diesem Grundsatz seine Partnerschaft gestaltet, seine Kinder erzieht, mit Familienmitgliedern und Freunden, Kollegen und Mitarbeitern umgeht, macht es sich kurzfristig leicht und langfristig schwer. Kurzfristig leicht: weil er sich die Mühe spart, das Positive in der Person oder im Verhalten des anderen erstens wahrzunehmen, zweitens wichtig zu nehmen und drittens zur Sprache zu bringen. Langfristig hat diese »Ersparnis« jedoch verheerende Auswirkungen, denn keine Beziehung hält es aus, wenn nur dasNegative zurückgemeldet wird, sprich: wenn nur gesagt wird, was es zu kritisieren, zu beanstanden, zu tadeln gibt. Im Gegenteil, die Verbindung wird immer belastender, angespannter, unangenehmer für beide Seiten: Der Kritisierte verliert aufgrund der einseitigen Rückmeldungen zunehmend die Lust, auf die angemahnten Punkte überhaupt noch einzugehen und zu reagieren. Er oder sie legt sich stattdessen eine Haltung zu, die man als »inneren Rückzug« bezeichnen kann: »Da ich machen kann, was ich will, ohne dafür Anerkennung zu bekommen, kann ich’s auch bleiben lassen und meine Anstrengungen aufs Allernotwendigste beschränken.« Es ist sozusagen ein Akt des
Selbstschutzes
, wenn der Partner sich gegen neue Angriffe und Infragestellungen dadurch wappnet, dass er sich den Panzer der Gleichgültigkeit und inneren Distanz zum Kritiker zulegt. Darüber hinaus hat permanentes oder überwiegendes Nörgeln und Kritisieren eine enorm ansteckende Wirkung, was in dem Sprichwort deutlich wird: »Wie es in den Wald hineinschallt, so hallt es zurück.«
Doch es geht in diesem Buch nicht um unser Beziehungsleben allgemein, sondern um die Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Gerade hier kann es selbstverständlich keine aufrichtige Kommunikation geben, ohne dass es gelegentlich zu Äußerungen der Kritik, der
Weitere Kostenlose Bücher