Ein Mann von Welt
die Hände auf den Tisch zu legen, Innenfläche nach oben. Dann sagte sie etliche Dinge über die Linien auf meinen Händen, die ich nicht verstand, sie zeigte mir die Lebenslinie, die Schicksalslinie, die Liebeslinie und Beulen. Als Marias Hände über meine streiften, erlebte ich die Gegenwart einer großen spirituellen Kraft, ganz anders als irgendetwas, was ich je in der Leuchtturmgemeinde erlebt hatte. Ich erlebte das ohne jegliche Anstrengung meinerseits. Maria verfolgte die Linien auf meiner Handfläche mit ihrer Fingerspitze, ihre Augen blickten mir in die Augen. Sie sagte mir, ich wäre ein Mensch, der den Dingen auf den Grund ging, sie sagte mir, ich wäre ein Mensch, der alles für sich selbst herausfinden muss. Sie sagte mir, ich hätte eine ganze Reihe von ungenutzten Fähigkeiten, die ich noch nicht zu meinem Vorteil nutzen würde. Sie sagte, ich hätte kürzlich eine Tragödie erlebt, das war natürlich der Tod deines Großvaters. Als Nächstes sagte sie mit geschlossenen Augen, während sie mit der Fingerspitze an der sogenannten Schicksalslinie meiner Hand entlangfuhr, dass ich gerade eine Phase des Hinterfragens durchlaufen würde, dass ich meine Zweifel über die Leuchtturmgemeinde hätte, das waren ihre exakten Worte, so detailliert und spezifisch konnte sie sein, ohne mich überhaupt zu kennen. Wie du dir vorstellen kannst, hatte ich viele Fragen an sie. In der Zwischenzeit ist mir längst klargeworden, dass das Beste an der Zukunft ist, dass sie in der Zukunft bleibt, aber damals wollte ich wissen, wie alles für mich ausgehen würde, du kannst dir vorstellen, wie viele Fragen ich hatte, sie verstopften mir den Mund, als alle
gleichzeitig versuchten rauszukommen. Was rauskam, war Kauderwelsch, selbst für Maria. Ich holte tief Luft, auf ihren Rat hin, und überlegte, was die wichtigste Frage wäre, die ich jemandem stellen konnte, die Zugang zur sogenannten anderen Seite hatte, die mit dem Reich der Seelen Kontakt aufnehmen konnte, ihre Worte. Diese Art von Denken benötigte sehr viel Energie, ich verbrauchte meine ganze Kraft, um mich auf eine Sache zu konzentrieren. Solange ihre Hände auf meinen ruhten, hätte das von mir aus ewig dauern können. Ich wollte niemals wieder von ihr getrennt sein, von dieser Kraft, ich wollte nie mehr zur Leuchtturmgemeinde zurückkehren, das stand fest, jedenfalls solange ihre Hände auf meinen ruhten.
RINGBUCH
Mein Nachdenken wurde von quietschenden Reifen, Hupen und einem Zusammenstoß unterbrochen. Maria sprang auf, der Bann war gebrochen. Ich folgte ihr durchs Wartezimmer bis zum Rand des äußeren Perlenvorhangs. Alle, die in der Leuchtturmgemeinde gewesen waren, standen jetzt auf dem Parkplatz, und aus dem Waschsalon kamen auch Leute raus, genau wie aus dem Wein- und Schnapsladen. Jay-Bees goldener Datsun stand auf der anderen Straßenseite, zeigte in die falsche Richtung und war an der Seite eingedellt, ein Kastenwagen stand auf dem Bürgersteig. Ich versteckte mich hinter dem Vorhang, niemand sollte sehen, dass ich zu Maria gegangen war. Scott Valdez, ich konnte ihn auf der andern Seite des Parkplatzes sehen, Scott Valdez achtete nicht auf den Unfall, sondern schaute quer über den Parkplatz zu mir, nein, in Wirklichkeit schaute er mich direkt an, sein Blick durchdrang den Perlenvorhang, ein vorwurfsvoller Blick, dachte ich. Ich hörte, dass Sirenen näher kamen. Dann wurde mir klar, dass Scott gar nicht mich anschaute, er starrte Maria an.
Zuerst dachte ich, Jay-Bees Unfall wäre ex nihilo passiert. Wann immer du die Gelegenheit hast, aus dem Nichts zu sagen, sag stattdessen ex nihilo, Pauls Worte. Dann erinnerte ich mich an eine Begebenheit vor ein paar Tagen. Ich hatte mit Jay-Bee in der Leuchtturmgemeinde gesessen, wir redeten über irgendetwas, als Scott an unseren Tisch kam. Es war
morgens, Scotts Haar war nass und stand nach oben ab, sein Kopf sah wirklich aus wie eine Ananas, ich fragte mich, ob er weniger wie eine Ananas aussehen würde, wenn seine Haare nicht so abstehen würden, ich erinnere mich daran, dass ich am liebsten ein Foto gemacht hätte. Natürlich war Scott ein Denker, das ist das Ding mit Denkern, Juan-George, man weiß nie, wie sie aussehen. Oder vielmehr sollte ich sagen, wie wir aussehen. Überleg mal, wie sich Tante Liz von Paul Renfro abwandte, nur weil er so schäbig aussah. Ich fragte mich, wie viele Menschen es wohl verpasst hatten, Scotts Freundlichkeit und sensibles Denken zu erleben, nur weil sein Kopf aussah wie
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