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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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dem Ausmaß meiner Beteiligung war, ihre Worte. Tante Liz lächelte mich an, ihre Augen stolz und keck über dieser Lesebrille, und es fühlte sich an
wie in der Lehrersprechstunde, zu der mich dein Großvater mitgenommen hatte, diese Treffen, zu denen wir gingen, als er noch das Haus verließ, wo er auf dem Rückweg alles auseinandernahm, was die Lehrerin gesagt hatte, er fragte sich, was für Deppen eigentlich Teil unseres Bildungssystems waren, und er nahm sich vor, gleich am nächsten Tag einen Brief zu schreiben. Echtes Lernen, die Worte deines Großvaters, kann nicht von Deppen bewertet werden, die Schule war ein einziger Rechenschaftskult. Tante Liz machte weiter mit dem Fastfood-Restaurant, scheinbar hatte sie regelmäßig mit Roger gesprochen, das hörte ich zum ersten Mal. Es stellte sich heraus, er hatte nicht erwartet, dass ich je über den Springer-Job hinauskommen würde, er hatte nicht erwartet, dass ich als Pommes-frites-Koch erfolgreich sein würde, sie sagte – vielmehr las sie, es war ein Zitat von Roger –, dass ich ein wichtiger Teil der Fastfood-Maschine geworden war, ein Keilriemen im Fastfood-Motor, auf den man sich verlassen konnte, und dass er sich darauf freute, dass ich noch lange für ihn arbeiten würde. Und in der Tat, sagte Tante Liz, würde sie mir ein Geheimnis verraten, eine private Botschaft von Roger, etwas, was ich den anderen Mitarbeitern nicht sagen dürfte, bis es in ein paar Tagen bekanntgegeben würde. Roger hatte ihr mitgeteilt, das war das Geheimnis, dass ich der nächste Mitarbeiter des Monats werden würde. Er hatte mich extra ausgewählt, weil ich so erstklassig mit einer unzufriedenen Kundin und ihren uneinheitlichen Pommes frites umgegangen war. Tante Liz erschauerte vor Aufregung. Es würde ein Foto-Shooting mit allem Pipapo geben, ihre Worte, sie würden mein Bild an die Wand
hängen. Ich hatte die Tafel natürlich schon einmal gesehen, sie hing neben der Theke, alle konnten sie sehen, Kunden und Mitarbeiter. Ich hatte sie gesehen und mich gefragt, ob ich wohl je Mitarbeiter des Monats werden würde, ich hatte es mir sozusagen als ein Juwel in der Krone vorgestellt, einem Mann von Welt angemessen, aber je länger ich in dem Fastfood-Restaurant arbeitete, desto kleiner wurde das Juwel, bis ich es schließlich in der Hand hielt oder sozusagen auf dem Kopf trug, und da wurde es so klein, dass es verschwand, und die Krone gleich mit. Je näher man einem Ziel kommt, desto mehr sieht es wie ein falsches Ziel aus, meine Philosophie.

    Und dann klappte Tante Liz ihr Ringbuch zu und sagte mir, wie glücklich sie war, dass ich in ihr Leben gekommen war, trotz der Herausforderungen, trotz des schrecklichen Ereignisses, das zu meinem Umzug nach Panorama City geführt hatte, damit meinte sie den Tod ihres Bruders, meines Vaters, deines Großvaters, nicht seine doppelte Beerdigung, das stellte sie klar. Sie öffnete sich mir, wie man so sagt, und sie erzählte davon, wie sie immer das Gefühl gehabt hatte, im Schatten meines Vaters aufzuwachsen, dass er derjenige war, von dem alle dachten, er würde Erfolg haben. Es war natürlich eine andere Zeit, Frauen hatten damals nicht dieselben Möglichkeiten wie heute, ihre Worte, aber trotzdem war es Tante Liz klar, dass nicht sie der Stolz der Familie war. Also stolperte sie von einem Job zum nächsten, sie heiratete Alan, ich wusste nicht, dass sie mal verheiratet war, sie heiratete Alan, und er verließ sie nach sechs Jahren, wenigstens
war ein Haus dabei für sie rausgesprungen, irgendwie schien sie mit nichts Erfolg zu haben, aber sie war eine gute Christin, sie blieb demütig, sie wusste, wenn sie den Kurs hielt, würde sich ihr Leben eines Tages ändern, eines Tages würde sie dazu berufen, etwas Großes zu tun, jedenfalls etwas Größeres, als die Unterschriften von Leuten auf Bankkrediten und Immobilien- und Treuhandurkunden zu bestätigen und zu beglaubigen. Schon jetzt, sagte mir Tante Liz, schon jetzt, nach nur einem kurzen Monat, nachdem ich angekommen war, wirkte ich wie ein anderer Mensch, wir hatten jetzt schon Fortschritte gemacht und das Versagen ihres Bruders, meines Vaters, deines Großvaters, mich auf irgendeine sinnvolle Art anzuleiten, kompensiert, und schon jetzt glich mein Leben immer mehr dem eines respektablen Bürgers, eines verantwortungsvollen Mitglieds der Gesellschaft. Sie wurde gerufen, ihre Worte, und sie hatte geantwortet, ich war ihre Antwort. Ich bin nicht sicher, wie es dazu kam, der Grund hat

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