Ein Mann wie Mr Darcy
»Es ist nur -« Ich unterbreche mich.
›Nur was, Emily?‹ Schon wieder diese Stimme. Nur dass sie dieses Mal hartnäckiger ist. Dass er sich wie ein selbstsüchtiger, sexistischer Idiot verhält? Ein hochnäsiger Snob? Ein totaler Langweiler?
»Ich sollte allmählich zurückgehen«, ende ich leise und versuche, die Stimme in meinem Innern zum Schweigen zu bringen.
»Ich verstehe.« Er nickt düster. »Ich habe auch noch Angelegenheiten, denen ich mich widmen muss.« Er seufzt tief, als brodle es mächtig unter der Oberfläche, und dann wendet er den Blick von mir ab und blickt ins Tal hinunter. »Ich habe ganz vergessen, wie schön der Blick auf die Stadt von hier oben ist«, sagt er nach einer Weile leise.
Ich folge seinem Blick. Er hat Recht. Es ist fantastisch. »Ja, es ist überwältigend«, murmele ich zustimmend.
Einen Moment lang sitzen wir da und bewundern den majestätischen Anblick, der sich uns bietet – die sanften Hügel vor dem Hintergrund des unendlichen Horizonts. Es ist friedlich. Niemand ist in der Nähe. Nur wir zwei.
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Mr. Darcy sich mir mit gefurchter Stirn zuwendet. »Vielleicht können wir noch einen Moment länger hier sitzen bleiben?«
Ich starre weiter auf den Horizont. Er ist so weit, dass alles wieder in die richtige Perspektive gerückt wird. Ist es wirklich wichtig, ob ich Mr. Darcys Ansichten teile? Ich meine, natürlich hat er in bestimmten Punkten eine andere Meinung als ich, das ist doch nur verständlich. Wir kommen aus zwei vollkommen unterschiedlichen Welten. Stimmt’s?
»Ich denke, ich kann noch ein paar Minuten erübrigen«, sage ich schließlich und sehe ihm dabei in die Augen.
»Hervorragend.«
Er greift nach meiner Hand, doch obwohl er seine Finger mit meinen verschränkt, bin ich immer noch irritiert wegen unseres Streits. Unsere Meinungen sind so verschieden. Zu verschieden. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals mit Mr. Darcys Meinungen aussöhnen könnte. Und, was noch viel wichtiger ist, ob ich es überhaupt will.
Betrübt lege ich meinen Kopf an seine Schulter und bringe die nagenden Zweifel zum Schweigen.
Zumindest für den Augenblick.
Dreißig
I ch muss eingeschlafen sein, denn das Nächste, was ich mitbekomme, ist die Kälte, die mich weckt. Als ich die Augen aufschlage, stelle ich fest, dass die Sonne verschwunden ist. Und mit ihr auch Mr. Darcy.
Fröstelnd recke ich meine steifen Glieder und blicke mich um. Nichts. Er ist definitiv fort. Und mit ihm die Reste des Picknicks. Er hat sogar den Pelz mitgenommen, bemerke ich, als ich überrascht auf meinen Schoß sehe. ›Nicht besonders ritterlich, was?‹, denke ich leicht gekränkt.
An seiner Stelle liegt ein einzelnes Schneeglöckchen. Mr. Darcy muss sich auf den Weg gemacht haben, um sich um die Angelegenheiten zu kümmern, von denen er sprach, und offensichtlich hatte er mich nicht wecken wollen. Stattdessen hat er mir dies hier als Abschiedsgeschenk dagelassen. Ich nehme es, drehe es zwischen Finger und Daumen hin und her und betrachte die zarten weißen Blütenblätter.
Offen gesagt, hätte ich es besser gefunden, wenn er mir den Pelz dagelassen hätte, denn ich friere mir regelrecht den Hintern ab.
Während ich mich mühsam erhebe, höre ich das leise Läuten meines Handys. Mit steifgefrorenen Fingern ziehe ich es aus der Tasche und sehe, dass es Stella ist. Ich frage mich, was sie will. Ich habe heute doch schon mir ihr gesprochen.
Ich gehe dran.
»Em?«
»Hey«, krächze ich, ziehe meinen Mantel enger um mich und trete von einem Fuß auf den anderen, um den Blutkreislauf wieder in Gang zu bringen. »Schön, deine Stimme noch mal zu hören.«
»Ach ja?«, erwidert sie mürrisch.
Einen Augenblick bin ich verblüfft, dann fällt es mir wieder ein. Oh verdammt. Sie muss meine E-Mail bekommen haben.
»Freddy trifft sich mit anderen Frauen.«
»Ich weiß, schließlich habe ich seine Mail an dich weitergeschickt, schon vergessen?« Auch wenn ich nicht mehr ganz so sicher bin, ob das richtig war.
»Ich fasse es nicht!«, schreit sie plötzlich.
»Wieso nicht?«
»Weil wir von Freddy reden«, stöhnt sie, als würde das alles erklären.
Plötzlich habe ich das Gefühl, Freddy in Schutz nehmen zu müssen. Mag sein, dass Stella meine beste Freundin ist, aber jetzt geht sie zu weit.
»Na und? Als er das letzte Mal nachgeschaut hat, hatte er einen Penis, oder?«
»Em!« Stella schnappt entsetzt nach Luft. »Ich fasse nicht, dass du das gerade gesagt hast.
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