Ein Mann wie Mr Darcy
So etwas würdest du doch sonst nie sagen!«
»Stella, tut mir wirklich leid, aber irgendjemand muss dir mal den Kopf waschen«, fahre ich entschlossen fort. »Was hast du denn erwartet? Dass Freddy ins Kloster geht, nur weil du ihn nicht haben willst?«
»Ach, Em, das habe ich doch nicht gesagt«, winselt Stella. Das Ganze scheint sie wirklich mitzunehmen.
»Stimmt«, gebe ich zu. »Du hast es nicht genauso gesagt. Nein, es war mehr so etwas wie ›Wir könnten nicht verschiedener sein.Wir würden uns gegenseitig in den Wahnsinn treiben, wenn wir ein richtiges Paar wären. Freddy ist wirklich der netteste Mensch der Welt, und er könnte ein wunderbarer Partner sein, aber nicht meiner‹ …« Während ich meine Stimme verklingen lasse, herrscht am anderen Ende der Leitung Schweigen.
»Aber wir sind doch verheiratet«, sagt sie nach einer Weile lahm.
»Nur wegen der Greencard. Warst nicht du diejenige, die das bei jeder Gelegenheit betont hat?«, erinnere ich sie.
Wieder Schweigen am anderen Ende, nur dass es diesmal nicht durch eine witzige Bemerkung unterbrochen wird. Stattdessen höre ich einen abgrundtiefen Seufzer. »Oh Gott, ich war so eine Idiotin, stimmt’s?«, flüstert sie voller Reue.
»Das fällt dir ja früh ein«, antworte ich, wenn auch nicht unfreundlich. Stella ist kein schlechter Mensch, das Problem ist nur, dass sie nicht gesehen hat, was für einen wunderbaren Mann sie direkt vor der Nase hat.
Sie schnalzt abfällig mit der Zunge, und ich kann sie vor mir sehen, wie sie trotz allem lächelt.
»Ich will nicht, dass Freddy sich mit anderen Frauen trifft...«, sagt sie leise, als rede sie mit sich selbst.
»Wieso nicht? Soll ihn auch keine andere bekommen, obwohl du ihn nicht willst?«, frage ich ein wenig barsch. Ich glaube nicht, dass es so ist, trotzdem muss ich ihr die Frage stellen.
»Nein, das ist nicht der Grund«, kontert sie empört. »Das ist absolut nicht der Grund.«
»Warum dann?«
Es entsteht eine Pause.
»Ich liebe ihn.«
Ihre Stimme ist leise, aber bestimmt, und als ich diese drei Worte höre, will ich am liebsten die Faust in die Luft recken und laut »Ja!« schreien. Doch das überlasse ich Freddy. Also zügele ich mich. »Ich glaube, es gibt da jemand anderen, dem du das erzählen solltest.«
Nachdem sie mir versprochen hat, Freddy anzurufen und mich auf dem Laufenden zu halten, verabschiede ich mich von einer leicht benommenen Stella. Mittlerweile sind meine Hände beinahe steifgefroren, also stecke ich das Telefon in meine Tasche und ziehe meine Handschuhe über. Mein Gott, ist das kalt!
Während ich die Hände reibe, um sie etwas zu wärmen, denke ich an Stella und Freddy. Ich hoffe, die beiden schaffen es. Stella war eine Idiotin, aber manchmal scheint es, als müsse man erst etwas verlieren, um seinen wahren Wert zu erkennen.Wie Spike?
Mein Magen rebelliert, und – zack – plötzlich ist Spikes Brief wieder da, die Zeitungsartikel über Ernie, Mrs. McKenzies E-Mail … Probleme, Sorgen, Enthüllungen. Nun, da Mr. Darcy fort ist, muss ich der Realität wieder ins Auge sehen, und die Angst kehrt zurück. Ich weiß, dass ich nicht länger davor weglaufen kann. Ich muss all das in Angriff nahmen. Ich muss -
Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll, aber irgendwas muss geschehen. Die Hände in den Taschen vergraben, werfe ich einen letzten Blick auf die Aussicht. Sich hier oben zu verstecken, bringt nichts. Ich muss zurück ins Hotel und mich den Dingen stellen.Versuchen, alles in den Griff zu bekommen. Ich lasse den Blick über den Horizont schweifen, als hielte ich nach einem Fingerzeig Ausschau, nach einer Antwort, einer Lösung, aber natürlich ist es nie so leicht, nicht wahr? Also wende ich mich ab und mache mich auf den Weg den Hügel hinunter.
Eine halbe Stunde später fahre ich die Straße entlang, die in die Stadt zurückführt. Allmählich nimmt das Gefälle ab, und da ich keinen Schwung verlieren will, beginne ich, in die Pedale zu treten. Ich fahre um eine Ecke. Die Straße wird schmaler und windet sich nach links, ehe sie in eine Einbahnstraße mündet. Der Asphalt geht in Kopfsteinpflaster über. So schön es anzusehen ist, so gemein ist es, wenn man auf einem Fahrrad sitzt, ganz besonders auf einem nicht sonderlich gut gefederten Sattel. Gerade als ich über den Schaden nachdenke, den mein Hinterteil davontragen wird, stoße ich um ein Haar mit einem Fußgänger zusammen.
»Hey, mach doch die Augen auf«, rufe ich und gehe bei meiner
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