Ein Mann wie Mr Darcy
Vollbremsung schier über den Lenker.
»Ach, du liebe Zeit, ich habe gar nicht gesehen -«
»Maeve?«
Mitten in einer atemlosen Entschuldigung hält sie inne und schiebt ihre Brille hoch, um mich anzublicken. »Emily! Ich habe gar nicht gesehen, dass Sie es sind!«
»Sie haben überhaupt niemanden gesehen«, stoße ich keuchend hervor, nachdem ich zum Stillstand gekommen bin. Doch falls sie meinen Protest gehört hat, nimmt sie ihn nicht zur Kenntnis. »Wo waren Sie denn? Ich habe überall nach Ihnen gesucht«, fragt sie stattdessen. Ihre Stimme klingt atemlos, und sie sieht aufgeregt aus.
Schlagartig packt mich die Angst. »Warum? Was ist denn los?«, frage ich.
Maeve scheint kein Wort herauszubringen.
»Was denn? Los, sagen Sie schon!« Mein Gott, jetzt mache ich mir ernsthaft Sorgen.
Die behandschuhten Hände ringend, beißt sie sich auf die Lippe und sieht mich an. Oh, Mist, ich hatte Recht. Sie macht sich bereit, mir die schlechten Nachrichten mitzuteilen.
»Okay, kommen Sie«, erkläre ich entschlossen. »Sie brauchen dringend einen Drink.«
»Okay, also, erzählen Sie, was passiert ist …«
Wir haben es uns im einzigen Lokal gemütlich gemacht, das in Bath am Neujahrstag offen hat, dem Gate of India, einem leeren, schwach beleuchteten Restaurant mit Velourstapeten und köstlichen Papadams, die Maeve geistesabwesend zerkrümelt, während die Worte aus ihrem Mund sprudeln.
»Heute Morgen habe ich einen Anruf bekommen …«
»Von wem?«
»Von meinem Bruder Paddy.«
»Dem Bruder in Spanien.«
»Aye, ich hab nur den einen.« Sie nickt eifrig und nimmt sich den nächsten Papadam vor. »Er war bei seiner Tochter über Weihnachten in Spanien. Ich glaube, das habe ich bereits erwähnt -«
»Oh, ja. Jetzt fällt es mir wieder ein«, stimme ich zu. ›Und du sagtest auch, das sei der Bruder gewesen, der dich vor die Tür gesetzt hat, als du schwanger warst‹, denke ich wütend bei der Erinnerung an die Geschichte, die sie mir erst vor ein paar Tagen erzählt hat. Seither war ich wild entschlossen, ihn zu hassen.
»Na ja, er ist inzwischen wieder in Irland, und heute Morgen hat er mich angerufen. Zuerst war ich natürlich besorgt. Ich dachte, irgendetwas Schlimmes muss passiert sein.«
»Warum?«
»Naja, Paddy ruft eigentlich nie an, erst recht nicht auf dem Handy. Er sagt, es wäre viel zu teuer.«
›Was? Nicht einmal, um ein frohes neues Jahr zu wünschen? ‹, will ich schon protestieren, doch wir werden durch den Kellner unterbrochen, der an unseren Tisch tritt. Ich bestelle zwei Brandys, ändere jedoch auf Maeves Bitte hin auf zwei Gläser Pfefferminztee um. Der Kellner mustert uns gereizt und versucht, uns wenigstens ein Knoblauch-Naan anzudrehen, ehe er resigniert aufgibt und den Rückzug antritt, sodass wir unsere Unterhaltung wieder aufnehmen können.
»Und?«, fordere ich Maeve auf.
»Also wusste ich, dass irgendwas los ist. Zuerst dachte ich, es ist etwas mit den Kindern.« Maeve unterbricht sich und holt tief Luft. »Aber zum Glück nicht. Es geht ihnen gut.« Sie lächelt beim Gedanken an sie, ehe sie fortfährt. »Er wollte mir sagen, dass eine Frau namens Shannon für mich angerufen hat.«
Ich bedeute ihr fortzufahren.
»Sie suchte nach einer gewissen Maeve Tumpane.«
»Wie ist sie an Ihre Nummer gekommen?«
Maeve zuckt die Achseln. »Mein Nachname ist relativ selten. Es stehen nicht allzu viele im Telefonbuch. Schätzungsweise brauchte sie sie nur durchzutelefonieren.« Sie schiebt ihre Brille hoch und sieht mich unsicher an.
»Und was hat Ihr Bruder gesagt?«, helfe ich ihr auf die Sprünge. Trotz ihrer anfänglichen Ungeduld scheint Maeve jetzt leicht benommen zu sein.
»Er hat sie gefragt, was sie von mir will.« Maeve lächelt beinahe entschuldigend. »Paddy kann ziemlich barsch am Telefon sein.«
»Das bezweifle ich nicht«, platze ich unwillkürlich heraus.
»Er ist kein schlechter Mensch, Emily. Er hat getan, was er für das Beste hielt.«
Ich sehe Maeves flehende Miene und ertappe mich dabei, dass ich es schon wieder tue. Ich lasse mich von meinen Vorurteilen leiten. Maeve hat Recht. Wahrscheinlich hat er nur getan, was damals das Beste war, und wie komme ich dazu, ihn dafür zu verurteilen? Heute, fast 40 Jahre später? Eine Frau des 21. Jahrhunderts, die in New York City lebt, wo Männer im Dragqueen-Outfit über die Fifth Avenue schlendern, ohne dass irgendwer auch nur mit der Wimper zuckt?
»Natürlich ist er das nicht.« Lächelnd strecke ich den Arm
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