Ein Mann wie Mr Darcy
keine eigenen Kinder bekommen konnte. Und die ihr und ihren beiden Brüdern – die ebenfalls adoptiert waren – die schönste Kindheit geschenkt haben, die man sich nur vorstellen kann.«
Ich lächle angesichts der bitteren Süße dieser Geschichte, die alle möglichen Gefühle in mir auslöst. Ich sehe Maeve an, die eine Träne abwischt, und drücke ihre Hand noch fester.
»Und wissen Sie, was sie noch zu mir gesagt hat?« Sie schnieft gegen die Tränen an, ehe sich ihr Gesicht zu einem Lächeln verzieht. »Sie hat gesagt: ›Du wirst Großmutter.‹«
Mir fällt die Kinnlade herunter. »Maeve! Oh mein Gott, Maeve!«, kreische ich.
Ich springe auf, laufe um den Tisch herum und schlinge die Arme fest um sie. »Maeve, das ist ja fantastisch! Auch wenn Sie natürlich noch nicht alt genug dafür aussehen«, füge ich hinzu. Strahlend drücke ich sie so fest, dass sie beinahe keine Luft mehr bekommt, als genau in dieser Sekunde der Kellner erscheint und unsere Tees servieren will, nur um mit einer neuerlichen Bestellung wieder weggeschickt zu werden: zwei Bananensplits. Und zwar mit Sahne, zur Feier des Tages.
Später an diesem Abend sind Maeve und ich aus dem Gate of India zurück, und ich habe mir vier Episoden der BBC-Verfilmung von Stolz und Vorurteil mit Colin Firth hintereinander angesehen. Ich bin in meinem Hotelzimmer und im Begriff, zu Bett zu gehen. Aber da ist noch etwas, was ich vorher noch erledigen möchte.
Ich krame meine Handy heraus und scrolle die Kontaktliste durch. Ich erwarte nicht, dass jemand zu Hause ist, aber ich kann ja eine Nachricht hinterlassen. Als ich die Nummer gefunden habe, drücke ich auf »Wählen« und lausche dem Klingeln. Wie erwartet, springt der Anrufbeantworter an. »Hi, ich bin’s. Ich rufe nur an, um zu sagen -«
»Emily?« Die Stimme meiner Mutter. »Bist du’s?«
»Oh, ja, ich bin’s. Ich dachte, ihr seid noch nicht von eurer Reise zurück«, rufe ich überrascht.
»Wir sind heute zurückgekommen. Bist du noch in England?«
»Äh … ja.« Mein Gott, das ist blöd. Ich hätte warten sollen, bis ich wieder in New York bin.
»Ist alles in Ordnung, Schatz? Was ist denn los?«
›Nichts. Ich rufe nur an, um euch ein frohes neues Jahr zu wünschen‹, will ich gerade sagen. Doch wenn ich das tue, könnte es ohne weiteres noch einmal 29 Jahre dauern, bis ich diesen Anruf wiederhole. Und dann könnte es zu spät sein.
Ich zögere, und dann platzt es aus mir heraus. »Können wir nächstes Jahr Weihnachten zusammen verbringen? Zu Hause? Als Familie?«
Am anderen Ende entsteht eine Pause, und ich spüre, wie überrascht meine Mutter ist. »Das ist eine wunderbare Idee, Emily«, sagt sie dann mit aufrichtiger Freude in der Stimme. »Ich glaube, dein Vater und ich können unsere Rucksäcke auch einmal ein Jahr im Schrank lassen.«
Fünf Minuten später verabschieden wir uns, ich lege auf und lasse mich auf mein Kissen fallen. Na also, so einfach war das. Ich hatte einen Kampf erwartet, hatte mir ausgemalt, dass ich sie erst überzeugen müsste, und mich grundlegend geirrt. Ich schalte das Licht aus und schließe die Augen. Es war so einfach: Ich musste nur das Telefon zur Hand nehmen und fragen.
Einunddreißig
H eute verlassen wir Bath und fahren nach Norden, um Lyme Park zu besuchen, die letzte Etappe unserer Reise und den Ort, der der BBC-Adaptation von Stolz und Vorurteil als Setting für Pemberly und die berühmte See-Szene mit Colin Firth diente.
Wir brechen früh auf. Es ist vorgesehen, dass wir gleich nach dem Frühstück um sechs Uhr das Hotel verlassen, und nachdem ich schnell meine Sachen gepackt habe – wobei ›packen‹ eine reichlich beschönigende Beschreibung dafür ist, Kleidungsstücke zusammenzuknüllen und in den Koffer zu stopfen; etwa so, als würde ich versuchen, das ausgelaufene Wasser aus der Waschmaschine aufzuwischen (da meine Waschmaschine erst kürzlich übergelaufen ist, weiß ich, dass man es genauso macht) -, stürze ich zur Rezeption, um eine E-Mail zu schreiben.
Seit gestern Abend habe ich zwei wichtige Entscheidungen getroffen:
1. Was Spike betrifft, kann ich nichts mehr tun. Dafür ist es zu spät. Dieser Gaul ist endgültig durchgegangen, wie meine Großmutter sagen würde, was ziemlich treffend ist, wenn man meine Erfahrungen aus der Silvesternacht bedenkt. Also werde ich wohl versuchen müssen, das Ganze zu vergessen.
2. Die E-Mail, die ich von Mrs. McKenzie bekommen habe. Statt abzuwarten, bis ich nach New York
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