Ein Mann wie Mr Darcy
Federbett fallen. »Ich bin vielleicht verheiratet, aber ich bin trotzdem durch und durch Single. Und ich brauche meinen besten Freund.« Schmollend dreht sie sich auf den Bauch und stützt sich auf den Ellbogen ab. »Bist du sicher, dass ich dich nicht doch dazu überreden kann, deine Senioren im Minibus sausen zu lassen und stattdessen mit mir nach Mexiko zu kommen und dich ein bisschen zu amüsieren? Es ist immer noch ein Platz frei.«
»Es ist ein Luxusreisebus«, korrigiere ich sie. »Und, nein danke.« Ich schüttle den Kopf. »Ich weiß, dass es dir schwer fällt, das zu glauben, Stella, aber ich habe Lust auf diese Reise.« Es stimmt. Nun, da ich ein wenig Zeit hatte, darüber nachzudenken, freue ich mich wirklich darauf. »Seit ich Jane Austen gelesen habe, wollte ich schon immer nach England reisen, und das ist die perfekte Gelegenheit.«
»Okay, englische Männer können auch ziemlich süß sein«, räumt Stella ein, die mein Argument grundlegend missversteht. »Zum Beispiel, Daniel Craig.«
»Ich fahre nicht wegen der Männer«, stöhne ich, während ich versuche, Die Frau des Zeitreisenden durch einen schmalen Spalt im Reißverschluss meines Koffers zu schieben.
»Nicht mal James Bond?«, seufzt sie verträumt, ehe sie meine Bemühungen mitbekommt. »Meine Güte, Em. Hast du denn noch nicht genug Bücher eingepackt?«
»Manche Leute packen zu viele Klamotten ein, bei mir sind es eben Bücher...«, erkläre ich kühl.
Stella hievt sich vom Bett hoch und wirft mir einen Blick zu, der sagt, dass sie mir kein Wort glaubt.
»Ich kann doch nicht im Voraus wissen, womit ich es mir abends im Bett gemütlich machen will«, erkläre ich achselzuckend.
»Wie wär’s mit einem Mann?«, kontert sie und zieht sich Schal und Handschuhe an.
Nun ist es an mir, ihr einen viel sagenden Blick zuzuwerfen.
»Im Ernst, Em, wie lange ist es her, dass du so richtig -«
»Ich habe es dir doch gesagt. Die einzigen Männer, die mich interessieren, sind da drin …«, unterbreche ich sie, nehme mein Stolz und Vorurteil und knalle es auf meinen Koffer.
»Okay, okay, ich sage ja schon nichts mehr …« Resigniert hebt sie ihre behandschuhten Hände. »Also, wann geht dein Flug?«
»Heute Abend um 21:45 Uhr.« Ich sehe auf die Uhr. »In einer Stunde kommt das Taxi und holt mich ab.«
Wir stehen da und sehen einander an. Zeit, Abschied zu nehmen.
Ihre Züge werden mit einem Mal weich. »Pass gut auf dich auf und viel Spaß, okay?« Sie schlingt die Arme um mich und drückt mich fest. »Versprochen?« So viel Sentimentalität ist eher untypisch für sie.
Ich drücke sie fest an mich. »Versprochen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde beschleicht mich ein leiser Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee ist, Silvester allein und nicht mit Stella und ihren Freundinnen zu verbringen, doch er verfliegt ebenso schnell wieder. Ich bin ein großes Mädchen. Ich komme schon zurecht. »Und vergiss du nicht, mich aus Mexiko anzurufen und mir zu sagen, wie die Margaritas sind, ja?«
»Auf jeden Fall«, erklärte sie mit ihrem berühmten Stella-Grinsen, ehe sie sich von mir löst und die Tür öffnet. »Oh, und übrigens«, sie bleibt im Türrahmen stehen, »dieser Lidschatten ist grauenvoll.« Dann winkt sie mir zu und verschwindet im Flur.
Vier
E lf Stunden später stehe ich in der Schlange vor dem Einwanderungsschalter am Flughafen Heathrow, übermüdet, aber aufgeregt. Ich spüre, wie mich eine Woge der Freude erfasst. Nicht einmal jetzt kann ich glauben, dass es tatsächlich passiert. Dass ich wirklich hier in England bin. England!
»Nächster!«
Ein Gähnen unterdrückend, bei dem jedes Nilpferd neidisch geworden wäre, blicke ich auf. Die Beamtin, eine grimmig dreinblickende Frau mittleren Alters mit kurzem Kraushaar und Brille, winkt mich weiter. »Wie lange werden Sie sich im Vereinigten Königreich aufhalten?«, fragt sie streng, als ich vor den Schalter trete.
»Eine Woche«, antworte ich und lächle sie freundlich an.
Es zeigt keinerlei Wirkung. Sie nimmt meinen Pass entgegen, studiert ihn mit ernster Miene und fängt an, wild auf ihre Tastatur einzuhämmern.
»Aus welchem Anlass reisen Sie ein?«
»Ich mache eine Rundreise«, antworte ich eifrig.
Ohne aufzuschauen, schiebt die Einwanderungsbeamtin ihre Brille hoch und tippt weiter, die Lippen fest aufeinandergepresst.
Meine freudige Erregung gerät ins Wanken. Ihr Schweigen macht mich allmählich nervös. Als hätte ich irgendetwas angestellt. Unvermittelt
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