Ein Mann wie Mr Darcy
… »durchschnittlich … ziemlich langweilig …« Jetzt weiß ich, wie Elizabeth Bennet sich vorkommt. Ein neues und starkes Gefühl der Identifikation mit Janes Heldin erfasst mich.
»›Aber ich sage dir‹, fügte sie (Mrs. Bennet) hinzu, ›es kann Lizzy ganz gleich sein, wenn sie seinen Ansprüchen nicht genügt, denn er ist ein widerlicher, abstoßender Mensch, um den man sich gar nicht zu bemühen braucht. So hochnäsig und so eingebildet, es war nicht auszuhalten! Er stolzierte hierhin und dorthin und fand sich ganz unwiderstehlich.‹«
Ehrlich, ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Wen kümmert es, was Spike denkt? Dieser Kerl ist so etwas von eingebildet und von sich eingenommen. Ich kann froh sein, dass er mich nicht leiden kann, sonst würde dieser Typ am Ende noch ständig meine Nähe suchen.
Tief befriedigt lehne ich mich auf meinem Sitz zurück und blättere um. Ehrlich gesagt, habe ich wirklich Glück gehabt.
Sieben
E s ist wie eine Zeitreise.
»… in diesem Haus lebte Jane Austen in den letzten acht Jahren ihres Lebens, und es wird von vielen als ihr literarisches Zuhause betrachtet …«
Unsere Reiseleiterin plappert weiter, während sie uns durch das rote Backsteingebäude aus dem 17. Jahrhundert führt, das zu einem Museum umgestaltet worden ist, und obwohl ich versuche, mich zu konzentrieren, schweifen meine Gedanken ab.
Beim Anblick der vornehm mit originalen Regency-Möbeln eingerichteten Räume von Chawton Manor scheint das 21. Jahrhundert weit, weit fort zu sein. Verschwunden sind Lärm, Hektik und das unglaubliche Tempo des modernen Alltags, in dem man sich im Laufschritt bewegen muss, wenn man auch nur halbwegs mithalten will. Als hätte plötzlich jemand die Lautstärke heruntergedreht und das Tempo gedrosselt. Ich bin in eine friedliche, kontemplative Welt eingetaucht, in der man Briefe mit Federkielen und indischer Tinte schreibt, in aller Ruhe in Chesterfield-Sesseln liest und nach dem Abendessen Cembalo spielt.
Während ich auf das Instrument starre, stelle ich mir vor, wie ich selbst in einem Korsett davorsitze und auf den Tasten klimpere. In Wahrheit kann ich trotz jahrelangem Klavierunterricht nicht einmal eine einfache Melodie spielen, also würde ich wahrscheinlich eher lesen. Gedichte vielleicht oder etwas Romantisches auf Latein. Nicht, dass ich Latein könnte, aber ich bin mir sicher, das wäre vollkommen anders, wenn ich damals gelebt hätte.
Ich meine, alles andere wäre ja auch vollkommen anders, oder? Ich würde nicht das neueste, aus dem Internet heruntergeladene Killers-Album auf meinem iPod hören, nicht im Netz surfen und diesen neuen Mann googeln, den ich gerade kennen gelernt habe. Ich würde kein indisches Essen zum Mitnehmen bestellen und scharfe Shrimps Buna essen, während ich mir die erste Staffel von Lost auf DVD anschaue …
Okay, das wäre möglicherweise ziemlich hart. Einen Augenblick halte ich inne, um mir eine Welt ohne Matthew Fox vorzustellen. Allerdings kann man ja nichts vermissen, was man nie hatte, und man stelle sich nur vor, wie toll es wäre, die Abende mit etwas zu verbringen, was den Geist anregt, statt vor dem Fernseher zu versacken – einen Brief an einen entfernten Cousin zu schreiben, die Verdienste Shakespeares zu diskutieren oder vielleicht irgendeine Handarbeit zu machen.
Oh, tja, möglicherweise würde die Handarbeit nach einer Weile etwas langweilig werden. Ich meine, Home sweet home zu sticken ist wahrscheinlich nicht sonderlich anregend, aber ich bin sicher, dass man sticken dürfte, worauf man Lust hat. Coldplay-Texte auf eine Kissenhülle oder ein Bild von Frida Kahlo auf einen Topflappen... Na schön, möglicherweise ist das ziemlich schwierig. Besonders wenn man, wie ich, nicht besonders gut im Sticken ist und nicht einmal einen Knopf annähen kann, ohne sich in den Finger zu stechen.Trotzdem bin ich sicher, dass mir etwas einfallen würde.
Nur jetzt im Moment nicht, weil ich so müde vom Jetlag bin.
»… vor Ihnen befindet sich der Salon, in dem sie ihre Vormittage mit Schreiben zu verbringen pflegte, und die berühmte ›quietschende Tür‹, die jeden Besuch ankündigte …«
Als ich meine Aufmerksamkeit wieder unserer Reiseleiterin zuwende, sehe ich, dass sie durch das Vestibül in einen Raum im vorderen Teil des Hauses geht. Langsam trotten wir hinter ihr her, wobei unsere Schritte auf den auf Hochglanz gebohnerten honigfarbenen Dielen hallen. Ich werfe einen Blick nach unten, auf den
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