Ein Mann wie Mr Darcy
es tatsächlich tut.
»Wer könnte meine Fragen besser beantworten?«, gibt er wie aus der Pistole geschossen zurück, schlägt die Beine übereinander, legt die Hand um seinen Knöchel und mustert sein gebannt lauschendes Publikum. »Neulich gab es im Auftrag des Orange Prize for Fiction eine Umfrage, bei der fast 2000 Frauen aus drei Generationen gefragt wurden, wer ihr Traumpartner wäre -«, erklärt er, holt Luft und nimmt einen Zug von seiner Zigarette, »und ein Mann hat mehr Stimmen bekommen als alle anderen -«
Nun ja, ich weiß, wer meine Stimme bekäme, denke ich träumerisch.
»Mr. Darcy.«
Die Überraschung trifft mich wie ein Schlag. Hat er gerade laut ausgesprochen, was ich gedacht habe? Ich beuge mich vor, um besser mithören zu können. Natürlich nur aus reiner Neugier.
»… deshalb dachte sich meine Zeitung, dass es doch eine tolle Idee wäre, wenn ich an dieser Rundreise teilnehme und eine Woche mit echten Fans verbringe, um herauszufinden, warum dieser fiktive Held auch heute noch so viele Frauen fasziniert.Was lieben die Frauen so an Mr. Darcy?«
»Er ist geheimnisvoll«, ruft eine elegant gekleidete Frau mit einem seidenen Hermes-Schal um den Hals.
»Und vornehm«, erklärt eine andere und legt ihren Suppenlöffel beiseite, um versonnen ins Leere zu blicken.
»Er ist anständig«, fügt Maeve ängstlich hinzu, die den Eindruck macht, als sei sie von ihrer eigenen Stimme eingeschüchtert. »Heutzutage wissen Männer doch gar nicht mehr, wie man eine Frau behandelt.«
Zustimmendes Gemurmel und allgemeines Nicken.
»Geheimnisvoll? Vornehm? Anständig?«, höhnt Rose und wirft ihre Serviette auf den Tisch. »Meine Damen, ich bitte Sie! Ich weiß ja all seine guten Eigenschaften zu schätzen, aber hat denn keiner die BBC-Verfilmung gesehen?« Ihre dunklen Augen blitzen, und ihr glänzend schwarzer Bob wippt. »Die Szene, in der er in diesem weißen Hemd aus dem See steigt und so umwerfend gut aussieht«, fährt sie fort und blickt die anwesenden Damen um Zustimmung heischend an.
Sofort bricht alles in lautstarke Zustimmung aus, und ich höre ein lustvolles »Puuh«, das zu meiner Verblüffung aus Rupindas Mund kam. Heiliges Kanonenrohr. Dabei sieht sie in ihrem Sari wie der Inbegriff der Eleganz aus.
»Ich liebe Colin Firth«, ruft eine andere.
»Oooh, ich auch«, stimmt eine weitere zu.
»Aber er hat den Mr. Darcy doch nur gespielt«, unterbricht Miss Staene, die mit dem Klemmbrett unterm Arm den Saal betritt. »Vergessen Sie nicht, Mr. Firth war nur der Schauspieler und nicht der echte Mr. Darcy.«
»Und wer ist der echte Mr. Darcy?«
Alle Augen richten sich auf den Journalisten, der Miss Staene mit hochgezogenen Brauen interessiert ansieht. Er drückt seine Zigarette auf einem kleinen Teller aus, lehnt sich zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf.
»Das müssen Sie selbst herausfinden, Mr. Hargreaves«, antwortet sie knapp.
»Bitte, nennen Sie mich Spike«, meint er unterwürfig, doch sie wendet sich bereits den Reisenden zu.
»Also, ich möchte noch einmal alle daran erinnern, dass wir sofort nach dem Essen losfahren.« Als sie sich zum Gehen wendet, wirft sie Spike einen Blick zu und nickt. »Mr. Hargreaves«, fügt sie höflich, aber entschlossen hinzu, dann verlässt sie den Raum.
Also ist Spike hier, um einen Artikel über uns zu schreiben, ja?
»Ihre Suppe wird kalt.«
Erschrocken fahre ich herum und sehe Rose auf meine Suppenschale zeigen. »Essen Sie lieber auf, meine Liebe. Der Hauptgang wird mit Sicherheit noch fürchterlicher.«
Na schön, wenn er glaubt, ich würde seine dämlichen Fragen beantworten, dann hat er sich geschnitten. Und damit wende ich mich wieder meiner Suppe zu und schiebe mir einen großen Löffel voll in den Mund.
Eine halbe Stunde später ist das Mittagessen beendet, und wir sitzen wieder im Bus und fahren über Landstraßen zu unserem ersten Ausflugsziel. Ich bin vollkommen in die Welt von Elizabeth Bennet und Mr. Darcy versunken:
»… ›Welche meinst du?‹ Und er drehte sich zu Elizabeth um und sah sie an, bis er ihren Blick auffing. Dann sah er weg und sagte ungerührt: ›Sie ist ganz passabel, aber nicht hübsch genug, um mich zu reizen.‹«
Meine Güte, wenn ich mir vorstelle, jemand würde mich als passabel beschreiben.Wie beleidigend. Ich würde sterben.
Als ich die Seite umblättere, spüre ich, dass sich meine Blase meldet. Ich versuche, sie zu ignorieren. Ich liebe diese Stelle. Ich presse die Beine zusammen
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