Ein Mann wie Mr Darcy
trifft es wohl zu.
»Bei mir ist es dasselbe. Meine erste Liebe war Betty Blue. Ich war völlig hingerissen von ihr. Leidenschaftlich, sexy, Französin. Normale Mädchen konnten da nicht mithalten. Aber will ich in Wirklichkeit mit einer Verrückten zusammen sein, die sich selbst ein Auge aussticht?«
Wieder muss ich lächeln.
»Glaub mir«, fährt er fort, »eine leidenschaftliche Affäre mit einer sexy Französin mag in Filmen toll wirken, aber im wahren Leben ist an ständigem Streit und zerschlagenem Geschirr überhaupt nichts sexy.«
»Das hört sich an, als würdest du aus Erfahrung sprechen«, sage ich, als mir der Streit mit seiner Freundin auf dem Parkplatz wieder in den Sinn kommt.
»Emmanuelle hat jeden einzelnen Teller in meiner Wohnung zerdeppert. Ich esse jetzt von Papptellern.« Er lächelt wehmütig, aber mich beschleicht das Gefühl, dass er es ernst meint. Sie machte einen ziemlich temperamentvollen Eindruck. »Nein, was ich mir in Wirklichkeit wünsche, ist jemand, mit dem ich richtig reden kann. Jemand, der mir helfen kann, die Wörter im Kreuzworträtsel der Daily Times zu finden, die ich nicht rauskriege, der über meine miesen Witze lacht und meine Leidenschaft für Spaghetti-Western teilt.«
»Warum gehst du dann nicht los und suchst dir so ein Mädchen?«
»Das wäre eine Idee.« Er legt den Kopf schief, als würde er zum ersten Mal darüber nachdenken. »Keine Ahnung, vielleicht, weil so ein Mädchen echt wäre. Und das würde bedeuten, sich auf eine echte Beziehung einzulassen«, sagt er und verdreht in gespieltem Entsetzen die Augen. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dafür schon bereit bin. Ehrlich gesagt, jagt es mir Angst ein, glaube ich.« Er lächelt verlegen.
»Wie? Mehr, als mit Tellern beworfen zu werden?«
»Ja.« Er nickt. »Unter Tellern kann man sich immer noch durchducken. Emmanuelle zielt ziemlich schlecht.«
Dabei lächelt er mich an, sodass ich das Gefühl bekomme, ich müsste etwas sagen, aber seine Offenheit hat mir die Sprache verschlagen. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Es entsteht eine peinliche Pause, und ich wende mich lieber wieder dem Postkartenständer zu und suche weiter. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Spike mich nachdenklich betrachtet.
»Darf ich dich mal was fragen?«
Ich mustere ihn argwöhnisch. »Für deinen Artikel?«
»Nein, ich bin nur neugierig.« Da er es nicht schafft, ein Stück von der Lakritze abzubeißen, schiebt er es sich zwischen die Backenzähne und beißt fest darauf.
»Inwiefern?«
»Warum verbringt eine Frau wie du Silvester allein auf einer Literaturreise?« Er beginnt zu kauen.
»Was soll das heißen, eine Frau wie ich?«
Okay, das klingt ziemlich trotzig, aber kann man mir daraus einen Vorwurf machen? Bislang war ich doch ziemlich langweilig und sehe durchschnittlich aus.
»Nein, so habe ich es nicht gemeint … Sondern …« Er stößt einen resignierten Seufzer aus. »Okay, sag’s nicht. Du bist Journalistin und schreibst auch einen Artikel …«
Ich beäuge ihn misstrauisch, dann beschließe ich, ihn zu erlösen. »Ich leite in New York eine Buchhandlung«, sage ich, sorgsam darauf bedacht, meinen Stolz nicht durchklingen zu lassen.
»Hey, das ist ja irre«, sagt Spike bewundernd.
Ich fühle mich geschmeichelt, lasse es ihn aber nicht merken. »Zufällig habe ich eine Broschüre gesehen und -« Ich verstumme.
Wenn ich es mir recht überlege, habe ich eigentlich keine Lust, ihm zu erzählen, wie es in Wahrheit zu dieser Reise gekommen ist. Dass ich nach meiner letzten Katastrophenverabredung den Männern abgeschworen und diese Reise aus einer Laune heraus gebucht habe, um nicht gezwungen zu werden, Urlaub in einem Club für 18- bis 30-Jährige zu machen, wo ich ohne Zweifel eine Menge Männer kennen gelernt und an einem Wet-T-Shirt-Contest hätte teilnehmen müssen. »Ich fand, es hörte sich interessant an«, sage ich also nur.
Er schaut mich mit demselben Blick an, mit dem Stella mich bedacht hat.
»Meine Eltern sind schuld. Sie sind Bücherwürmer durch und durch. Deswegen lautet mein voller Name auch Emily Bronte Hemingway Albright.«
»Heiliger Strohsack«, stößt er entgeistert hervor.
»Ich weiß, ziemlich starker Tobak, was?«
»Na ja, nicht so schlimm, wie meiner.«
Ich sehe ihn neugierig an.
»Napoleon Caesar Nelson Hargreaves«, rattert er mit bierernster Miene herunter. »Mein Vater war bei der Navy und ein absoluter Militärfanatiker.« Endlich gelingt es ihm, ein Stück Lakritze
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