Ein Mann wie Mr Darcy
Gelegenheit.
»Nur ein wenig?«
»Hmm.« Sie schnieft immer noch in ihren Sarong, aber ich merke, dass meine Worte Wirkung zeigen. Ein kurzes Zögern, dann: »Er hat ununterbrochen über seine Erfolgszulage geredet, darüber, dass er dieses Jahr ein Vermögen mit seiner Firma gemacht hat und eine riesige Summe …«
»Ehrlich?«, frage ich und versuche, überrascht zu klingen.
»Ja, die ganze Zeit«, antwortet sie, als sei sie ebenfalls überrascht. »Außerdem hat er ständig mit seiner Platin-Amex gewedelt …«
»Ekelhaft«, bestätige ich. Jetzt braucht sie nur noch ein bisschen Ansporn, um richtig auf Touren zu kommen.
»Und was ist mit seinen Klamotten?«, frage ich mit gekreuzten Fingern.
»Oh, mein Gott, habe ich dir noch nicht von seinen Jeans erzählt?«, quietscht sie.
Bingo! Das war’s. Sie fängt an, über seinen Kleidergeschmack herzuziehen. Der Bann ist gebrochen.
»Die waren eingesäumt!«
Ich weiß nicht genau, was daran so verkehrt sein soll, aber in Stellas Augen ist es offensichtlich schlimmer, als ein Serienmörder zu sein.
»Außerdem hatte er einen Gürtel mit einer dicken Silberschnalle um …« kreischt sie jetzt. »Em, einfach grauenvoll. Das Ding sah aus, als würde es Elton John gehören.« Sie bricht in brüllendes Gelächter aus. »Mein Gott, was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich war so beeindruckt -« Sie bricht ab und seufzt. »Aber es hat einfach Spaß gemacht, mit ihm zusammen zu sein.«
»Das ist bei Achterbahnen auch so, aber nach einer Weile wird einem schlecht darin.«
Stella lacht. »Danke, Em.«
»Wofür?«
»Dass du mir zugehört hast.«
»Hey, jederzeit.« Ich unterdrücke ein Gähnen.
»Mist, ich hab nicht die leiseste Ahnung, wie viel Uhr es bei euch da drüben ist. Habe ich dich aufgeweckt?«
»Äh, na ja … so ähnlich … war ein bisschen spät gestern …«
Ich klaube meinen pinkfarbenen Glitzerpulli vom Boden auf, wohin ich ihn gestern Nacht beim Nachhausekommen habe fallen lassen, und ziehe ihn mir über den Kopf. Es hängt immer noch ein bisschen Geruch nach Nachtluft und Schornsteinrauch darin – und nach ihm.
»Lass mich raten, du hast Domino gespielt«, neckt sie mich.
»Eigentlich nicht. Ich war mit einem Mann unterwegs.« Da! Ich habe es gesagt.
Verblüfftes Schweigen am anderen Ende. Sekundenlang, ehe ihre verspätete Reaktion einsetzt.
»Heilige Scheiße!«, kreischt sie dann. »Ichglaubsnichtichglaubseinfachnicht …«, wiederholt sie wieder und wieder (ich nutze die Gelegenheit, um endlich die Toilette zu spülen und mir die Hände zu waschen). »Du hattest ein Date?«, japst sie schließlich.
Ich denke kurz darüber nach. Bis jetzt hatte ich es noch nicht so betrachtet, aber-
»Ja … ich nehme es an.«
»Ich glaube es nicht!« sagt sie noch mal.
Ich auch nicht, denke ich, während ich meine Haare bürste und mein Spiegelbild anstarre. Die Erinnerungen an gestern Abend kommen wieder hoch: Wie wir Arm in Arm dahinschlendern, Steine über die Wasseroberfläche flitzen lassen, auf den See hinausrudern, die Sterne bewundern … heute Nacht erschien mir alles noch so unglaublich, doch als ich nun darüber nachdenke, finde ich es doch ein wenig kitschig.
»Ich kann es nicht fassen, dass du bis jetzt damit gewartet hast, mir das zu erzählen!«
Ich würde es nicht gerade ›warten‹ nennen, am Hörer zu kleben und ihrem wütenden Redeschwall zu lauschen, aber ich will ja nicht kleinlich sein.
»Erzähl mir von ihm!«
Oh verdammt, natürlich. Sie will Details hören. Daran hatte ich nicht gedacht. Plötzlich tut es mir leid, dass ich damit angefangen habe.
»Hm, na ja, es ist ein bisschen kompliziert.«
»Sag nicht, er ist verheiratet«, unterbricht sie mich.
»Nein, natürlich nicht«, erwidere ich barsch.
»Oh, wie dumm von mir, ich bin ja diejenige, die verheiratet ist«, erklärt sie mit einem abfälligen Lachen. »Also, wo liegt dann das Problem?«
Verdammt. Wo fange ich bloß an? Er ist eine fiktive Gestalt aus einem Buch und trotzdem real.Wir haben uns einige Male getroffen, aber er hat die Angewohnheit, sich einfach in Luft aufzulösen, und ich weiß nie, wann oder ob er überhaupt wieder auftauchen wird. Und nicht zu vergessen, während ich in New York lebe, lebt er in England – aber wahrscheinlich vor 200 Jahren.
Verwirrt?
Das bin ich auch.
»Na ja, ist eine Art Fernbeziehung«, sage ich vorsichtig.
»Eine Beziehung? Wow, das hört sich aber nach etwas Ernstem an« sagt Stella, scheinbar beeindruckt. »Wie
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