Ein Mann wie Mr Darcy
Stunden bin ich mit ihm über genau diesen Platz gegangen, der völlig verlassen dalag. Es war magisch. Als ich jetzt darüber nachdenke, beginnt mein Magen zu flattern. Ich vergrabe meine Nase tief in seinen Seidenschal, den ich umgelegt habe, und sauge seinen köstlichen Duft ein.
»Ich verstehe«, sagt Maeve, die überhaupt nichts versteht.
»Es kann eine schwierige Zeit sein, wenn die Familie nicht mehr zusammen ist. Manchmal will man es einfach nur vergessen.« Sie tätschelt beruhigend meinen Arm und schaut mich durchdringend an. Ihr Gesicht mit den riesigen Brillengläsern erinnert mich an eine Eule.
Ich bin drauf und dran, ihr zu sagen, dass sie sich irrt und es mir nichts ausmacht, von meiner Familie getrennt zu sein, als mir dämmert, dass sie in Wahrheit von sich selbst spricht.
»Ist Ihre Familie in Irland?«, frage ich vorsichtig, da ich nicht möchte, dass sie mich für neugierig hält. Seit sie mich neulich im Bus so angefahren hat, habe ich bewusst darauf geachtet, dass unsere Gespräche hübsch oberflächlich blieben, was einer der Gründe ist, warum ich beschlossen habe, ihr nicht die Wahrheit über Ernie zu erzählen. Einerseits möchte ich Klarheit schaffen, andererseits habe ich Angst, zu sehr hineingezogen zu werden. Sie wissen schon, der Überbringer der schlechten Nachricht und all so … Außerdem hat er mir das Versprechen abgenommen, Stillschweigen zu bewahren. Trotzdem ist es eine Schande. Ich finde, Ernie und Maeve hätten gut zusammengepasst.
»Oh, da ist nur mein Bruder Paddy, der Silvester in der Villa seiner Tochter in Spanien verbringt …«
Sie lächelt fröhlich, während sie spricht, doch in ihren Augen liegt ein Anflug von Traurigkeit. Ich bin immer davon ausgegangen, dass Maeve Single ist, aber nun fällt mir mit einem Mal ein, dass sie ebenso gut Witwe sein könnte. Das würde ihre traurige Miene erklären. Als würde sie um jemanden trauern, denke ich, während ich einen verstohlenen Blick auf Maeves Ringfinger werfe. Ich bin sicher, dass ich bisher nicht gesehen habe, dass sie einen Ring trägt, aber vielleicht -
»Ich war nie verheiratet«, sagt sie, als sie mich ertappt.
»Oh, ich... wollte nicht …«
»Ach nicht doch, Liebes, das ist schon in Ordnung. Die Leute fragen oft«, beruhigt sie mich schnell, als sie meine Verlegenheit bemerkt.
»Wollten Sie denn nie verheiratet sein?«, frage ich neugierig.
Sie zögert einen Augenblick, als denke sie über etwas nach, dann erwidert sie mit sachlicher Stimme: »Es ist einfach nicht dazu gekommen, das ist alles.« Sie schiebt die Hände in die Taschen ihres etwas tristen grauen Wollmantels und nickt in Richtung eines Grüppchens Kinder, die mitten auf dem Platz einen Schneemann bauen. »Mein Gott, sehen Sie nur. Ist das nicht wunderbar?«
Und damit ist unser Gespräch beendet. Wir bleiben kurz stehen, um den Kindern, allesamt in gestreifte Schals und Fausthandschuhe eingemummelt, zuzusehen. Ihre Gesichter glühen in unschuldiger Freude, während sie dem Schneemann eine Nase aus einer Möhre und Augen aus Knöpfen verpassen. Gewiss hätten wir das Thema fallen lassen und über etwas anderes geredet, und ich hätte unsere Unterhaltung vergessen, hätte ich nicht zufällig Maeve angesehen und einen Blick auf den Ausdruck in ihren Augen erhascht, der das Lächeln auf ihrem Gesicht Lügen strafte. Da war er wieder, dieser gehetzte Blick. Schlagartig ist mir klar, dass da noch viel mehr ist, als Maeve mir erzählt. Ich weiß nur nicht, was.
Doch diesmal bin ich entschlossen, es herauszufinden.
»Was ist los, Maeve -«, setze ich unsicher an.
Sie antwortet nicht, sondern starrt weiter verbissen geradeaus, aber ich sehe, wie sich die Muskeln um ihren Kiefer leicht anspannen. Ich bedaure bereits, dass ich gefragt habe. Oh, Mist. Weshalb? Ich hätte nichts sagen sollen. Was geht mich das an?
»Hören Sie, es tut mir leid«, sage ich schnell. »Es geht mich ja nichts an …«
»Ich hatte eine Tochter.«
Es verschlägt mir die Sprache.
»Als ich 18 war. Sie war das hübscheste Geschöpf, das ich je gesehen habe. Ich habe sie Orla genannt«, fährt sie fort. Mir fällt auf, dass sie in der Vergangenheitsform spricht. »Sie haben mir nur erlaubt, sie ein paar Minuten zu halten, bevor sie sie mir weggenommen haben.«
Traurigkeit überkommt mich. Oh Gott. Das ist es also. Deshalb sieht sie immer so schrecklich traurig aus. Maeve hatte ein kleines Baby, das gestorben sein muss.Wie schrecklich.
»Ich denke jeden Tag an
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