Ein Mann wie Mr Darcy
spricht, meine Mum oder sich selbst.Vielleicht in Wahrheit über uns alle drei. Und sie könnte Recht haben. Bis jetzt habe ich immer behauptet, ich käme gut mit der Beziehung zu meinen Eltern zurecht, ganz besonders mit der zu meiner Mutter, aber das lag lediglich daran, weil ich es so haben wollte.Wenn ich allerdings ehrlich zu mir selbst bin, würde ich gern mit ihr sprechen können, so wie ich mit Maeve spreche. Dann hätte ich gern diese Art von enger Beziehung. Eines ist mir im Verlauf dieses Gesprächs klar geworden: Im Grunde genommen kenne ich meine Mutter kaum. Und sie kennt mich ebenfalls kaum. Unsere Telefonate und E-Mails beschränken sich auf Buchempfehlungen und Erinnerungen an Dads Geburtstag. Wir sprechen nie über die Dinge, die wirklich wichtig sind. Über uns.
»Wissen Sie, Ihre Mutter kann sich sehr glücklich schätzen,
Sie als Tochter zu haben, Emily«, erklärt Maeve. Ich kehre in die Gegenwart zurück und sehe, dass sie mich mit aufrichtiger Besorgnis anschaut.
»Und Ihre Tochter wäre sehr stolz auf Sie, wenn sie Sie kennen würde«, erwidere ich leise.
»Meinen Sie wirklich?«, fragt sie, als wage sie kaum, das zu hoffen.
»Definitiv«, erkläre ich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Sie drückt fest meine Hand, und ich lächle.
»Es wird spät, wir sollten zurückgehen.«
»Aye«, sagt sie nickend und zieht ihren Mantel fest um sich. Sie hält noch einen Moment inne, um einen letzten Blick auf die spielenden Kinder zu werfen, und zum ersten Mal sehe ich ein echtes Lächeln auf ihrem Gesicht aufleuchten. Dann hakt sie sich bei mir unter, und wir gehen weiter über das Kopfsteinpflaster.
Neunzehn
A ls ich in mein Zimmer komme, lasse ich mich aufs Bett fallen und krame meinen zerknitterten Reiseplan hervor. Mir schwirrt immer noch der Kopf von meinem Gespräch mit Maeve und der Neuigkeit ihrer geheimen Adoption, doch da nur noch wenige Stunden bis zum Ball bleiben, muss ich mich gezwungenermaßen auf den bevorstehenden Abend konzentrieren.
Die Eintrittskarten zu einem Wohltätigkeitsball sind im Reisepreis enthalten. Unter dem Motto ›Stilvoll ins neue Jahr‹ findet er im städtischen Ballsaal statt, der berühmt für die Ausrichtung jener festlicher Ereignisse ist, die Jane Austen als junge Frau besuchte und von denen sie sich später bei der Beschreibung der Bälle in ihren Romanen inspirieren ließ.
»… also werfen Sie sich in Schale, und genießen Sie einen Regency-Ball, als wären Sie eine Figur aus einem von Jane Austens Romanen.«
Gespannte Erregung erfasst mich beim Gedanken an Mr. Darcy. Ob er wohl heute Abend bei dem Ball erscheinen wird? So wie er vor meinem Fenster aufgetaucht ist? Das war wie in Romeo und Julia. Ich spüre, wie mich ein Gefühl der Wärme und Sentimentalität durchströmt, als ich mich frage, wo er wohl sein mag, was er gerade tut und wann ich ihn wieder sehen werde.Wenn er mich nur anrufen würde.
Aber natürlich wird er das nicht tun. Und ich kann ihn nicht anrufen. Ebenso wenig, wie ich ihm eine SMS oder eine Mail zukommen lassen oder mit ihm chatten kann, erkenne ich beim Gedanken an die zahllosen Mittel und Wege des modernen Flirtens, die ich stets als selbstverständlich hingenommen habe. Die kecken SMS, witzigen E-Mails, die Stunden, die man kichernd am Telefon auf dem Bett liegend verbringt …
Meine Güte, ich habe völlig vergessen, wie viel Spaß so etwas machen kann, denke ich mit einem Anflug von Enttäuschung, dass es diesmal nichts davon geben wird.
Aber das macht nichts, es gibt ja immer noch Briefe, die zudem noch viel persönlicher und romantischer sind, stimmt’s? – zumindest sage ich mir das ermutigend. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal einen Brief geschrieben habe, abgesehen von dem Schreiben an meinen Sachbearbeiter bei der Bank, und glauben Sie mir, der hatte absolut nichts Romantisches an sich. Trotzdem liebäugele ich mit der Vorstellung, einen richtigen Brief zu schreiben. Es gibt doch überall dieses herrliche, strukturierte Briefpapier, man kann richtige Tinte und einen Füllfederhalter benutzen und vielleicht sogar ein kleines Wachssiegel mit Initialen darauf. Und ich könnte die Antwortbriefe mit einem verblichenen, rosafarbenen Band zusammenbinden und sie auf dem Dachboden aufbewahren, wo ich sie dann finden werde, wenn ich alt bin, und sie noch einmal lese und -
Äh, hallo? Bevor du jetzt völlig abdrehst, Emily, wie, bitte schön,
Weitere Kostenlose Bücher