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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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jenügt mir! – Nee, Karl, wir reden erst mal mit Vata’n. Wenn Vata seinen hellen Tag hat, is es ooch helle. Bloß, mir schwant, er ist mal wieda blau!«

6. Ankunft in der Wiesenstraße

    Es war schon dunkle Nacht gewesen, als der Zug im Stettiner Bahnhof einlief. Mit unglaublicher Zungenfertigkeit hatte Rieke Busch einem Dienstmann, der Feierabend machen wollte, seine Karre abgeschwatzt. Das alte Gesicht unter der roten Mütze wurde immer verwirrter, dann stets vergnügter. »Na, Männecken, Sie sind doch ooch müde?« hatte Rieke gefragt und ihre Hand ganz sachte neben die altersfleckige, ausgemergelte Hand auf den einen Holm des Handwagens gelegt. »Wat wollen Se da mit de Karre nach Haus zuckeln? Alleene jeht sich det doch ville besser?«
    »Du bringst mir die Karre ja nich wieda, du freche Kröte, du!« jammerte der alte Mann.
    »Wo wohnen Se denn? In de Müllerstraße? Ooch ’ne feine Jejend! Und ick wohne in de Wiesenstraße – kennste de Wiesenstraße, Opa?«
    »Det hab ick doch jleich jemorken, det du vom Wedding bist, du Aas du!« strahlte der Alte.
    »Na, siehste«, lachte Rieke, »da weeßte schon, wie ick heiße! Aas heiße ick! Und wie heißt du, Opa?«
    »Küraß heiß ich. Nummer siebenundachtzig. Müllerstraße, vergiß nicht!«
    »Küraß –?« Rieke sprach den Namen wie Kieraß. »Kieraß, ick hab jedacht, so heeßen nur die Hunde. Na jut, Opa, det wer’ ick schon nich verjessen, siebenundachtzig, Müllerstraße, Kieraß. – Schieb ab, Opa! Huste dir man sachte in den Schlaf!«
    »So ein frechet Aas!« hatte der Alte wieder gesagt und war ganz gehorsam abgeschoben, ohne Rieke auch nur nach ihrem richtigen Namen zu fragen. Aas aus der Wiesenstraße schien ihm als Pfand für seinen Handwagen völlig zu genügen.
    Vereint hatten Karl und Rieke nun die Körbe aufgeladen, die fast schlafende Tilda wurde so dazwischengestopft, daß sie nicht herunterfallen konnte, und nun waren die beiden losmarschiert. Karl zwischen den Holmen des Wagens, Rieke bald nachschiebend, bald neben ihm, um ihm den Weg zu zeigen. Ihre überlangen Röcke hatte sie mit einem Strick wulstartig um die Hüften gebunden. Die Gaslaternen flackerten in einem böigen Wind, stumm, verschlossen sahen die dunklen Häuser auf sie herab. Ab und zu wusch ein plötzlicher Schauer die Gesichter der Kinder. Wenn Karl Siebrecht daheim in der kleinen Stadt sich je seinen Einzug in die große Kaiserstadt Berlin ausgemalt hatte, dann nie so! Nie hatte er daran gedacht, vor einem Handwagen, Körbe ziehend, durch dunkle Straßen zu schieben, als einzige Freundin und Bekannte eine echte Berliner kesse Nummer, als einzige Aussicht eine Schlafstelle, die er mit einem Bäcker teilen sollte: »Janz ordentlich, der Junge! Säuft nich, arbeetet, nur schwach uff de Beene mit de Mächens, da fällt er zu leicht um«, hatte Rieke seinen Schlafgenossen charakterisiert. Vormittags noch daheim, von der Minna betreut, in den altvertrauten Wänden, zwischen den Möbeln, die sein ganzes Leben um ihn gewesen waren – ach, fühlte er nicht noch Rias frischen Kuß auf den Lippen? –, und nun ganz draußen, für immer draußen, und seine Lippen schmeckten nichts als den faden Regengeschmack, der dochnicht rein nach Regen wie da draußen schmeckte, sondern nach Rauch, nach Ruß …
    »Wie heißt diese Straße?« sagte er zu Rieke und sah fast scheu zu den dunklen Häusern hoch.
    »Det is die Ackerstraße! Wenn wa die hoch sind, haben wa’s nich mehr weit!«
    »Ackerstraße? Wo ist denn hier ein Acker?« Er empfand wirklich schon Sehnsucht nach einem wirklichen Acker, über den der Herbstwind weht.
    »Acker? Ach, du meenst Feld, wo se Kartoffeln druff bauen? Det jibt’s hier nich. Det war valleicht mal früha. Wir wohnen ja ooch Wiesenstraße, aba Wiese is nich, dafür haben wa de Palme!«
    »Die Palme? Was ist denn das? Ein botanischer Garten?«
    »Mensch! De Palme, det weeßte nich? Det is de Herberje zur Heimat, die haben wir jrade vis-à-vis! Wo die Penna und die Stroma schlafen, wenn se sonst keene Bleibe haben! So wat haben wa, aba Wiese haben wa nich. Und Acker ooch nich. Na, laß man«, sagte sie fast tröstend. »Wenn wa imma Kartoffeln satt haben, broochen wa keen Acker nich!«
    Sie schoben stumm weiter. In so vielen Fenstern brannte Licht, rötliches vom Gas, schwach gelbliches vom Petroleum, manchmal auch strahlend weißes elektrisches – hinter den Fenstern bewegten sich Schatten, auf der Straße glitten Schatten eilig vorüber, in der

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