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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Straße. Du mußt Berlin erst bessa kennenlernen. Det war ’ne Lehre wie ’ne Ohrfeige for dir.«
    »Wir können ja beide die Körbe rauftragen, und du paßt auf«, schlug Karl Siebrecht, doch wieder sehr beschämt, vor.
    »Na ja, wenn ihr det wollt, denn mal los! Ick reiße mir nich darum.«
    Es ging über zwei, drei dunkle Höfe, einer schien immer enger, riechender, trostloser als der andere. Karl schauderte. Dann ging es eine enge Treppe hoch, eine so vertretene, beschmutzte Treppe mit so scheußlicher Luft, daß es unbegreiflich schien, wie die offene, zungenförmige blaue Gasflamme in dieser Luft überhaupt brennen konnte. Türen über Türen, Gänge über Gänge, Lärm, Sprechen, Poltern, Töpfegeklapper. Frauen, die schweigend und, wie es Karl Siebrecht vorkam, mit feindlichen Augen den Korb an sich vorbeiließen. Immer höher hinauf, immer höher. Und die Luft wurde immer schlimmer. »Wollen wa nich mal vapusten?« fragte der Bäcker. »Du bist det ja nich jewohnt!«
    »Nein, laß man, es geht schon. Ist hier immer so schlechte Luft?«
    »Ach, du meenst den Mief? Ja, det mieft hier immer, so’n Mief hält warm im Winta. Der hilft Preßkohlen sparen.« Und wieder schüttelte es Karl Siebrecht.
    »Da sind wa«, sagte der Bäcker und stieß mit der Schulter eine Tür auf, die nur angelehnt gewesen war. »Wa stellen den Korb nur ab, det die Rieke nich zu lange alleene is.«
    Karl konnte nur einen hastigen Blick in eine von einem Petroleumblaker schwach erhellte Küche tun. Gottlob, hier sah es sauber aus, und es roch auch nicht so schlimm wie draußen. Aus einer Stube drang ärgerliches Brummen. »Det war der Olle«, erklärte der Bäcker, als sie wieder die Treppe hinabstiegen. »Der is ungnädig, die Rieke hat ihm schon ’ne Predigt vapaßt, aber aus der Mulle hat se ihn ooch nich gekriegt.«
    Noch dreimal mußten die Jungen mit den Körben die Treppenhoch, denn Rieke hatte angeordnet, daß auch Karls Körbe zu ihr kämen. »Du kriegst nur, wat de brauchst, det kannste dir alle Tage von mir holen. Uff dir muß man uffpassen. Nich, daß ick deine Schlummamutta mißtraue, die Brommen is janz ordentlich, aber mit dir weeß man ja nich –« Und Karl Siebrecht protestierte nicht.
    Beim letzten Mal blieb der Bäcker oben, als Wachtposten. »Dat du den Ollen nich ranläßt! Die Körbe pack ick alleene aus, Ernst! Und wir sind ooch schnell wieda da, wir müssen bloß die Karre abliefern, is ja nich weit bis in de Müllerstraße. Und die Karre is leer.«

7. Der alte Busch

    »Setz dich doch auf die Karre«, sagte Karl zu Rieke.
    »Nee, ick zieh bei dir. Is zu kalt zu’s Sitzen. Is dir ooch kalt, Karl?«
    »Ein bißchen.«
    »Na, laß man, det jibt sich. Uff ’n Heimweg hol ick jleich eenen Eimer Kohlen, sollst mal sehen, wie warm wa det noch kriejen. Ick hatt’n janz schönen Vorrat liejen, als ick zu Tante Bertha machte, aba der Olle hat allet wegjefeuert. Der kennt keene Einteilung, Männer sind so.«
    »Er wollte wohl bei den Körben nicht anfassen?«
    »Laß ihn. Det is sein schlechtet Jewissen, denn is er grade pampig, grade aus’ schlechtet Jewissen. Der besinnt sich. Paß uff, wenn wa jetzt heemekommen, weeß er nich, wat er mir zuliebe tun soll. Schlecht is er nich, da jibt’s janz andere! Und überhaupt –« Sie schwieg gedankenvoll.
    »Was meinst du mit: und überhaupt?«
    »Wat ick damit meine? Na ja, früher war er janz ordentlich, aba er hat sich det mit Mutta’n doch so zu Herzen jenommen, seitdem is er so.«
    »Seit deine Mutter gestorben ist?«
    »So kann man det ooch sagen. Aba de Wahrheit is, er hat Mutta’n doch rausgeschmissen, weil sie mit ’nem anderenKerl jing. Tilda is ja nich von Vata’n, aba er läßt det Kind det nicht entjelten, allet, wat recht is. Und denn hat der Kaschube Mutta’n sitzenlassen, und Mutta is wieda jekommen bei uns, da war se schon in der Hoffnung. Na, Vata hat ihr nischt in den Weg jelegt, aba er hat nie wieda een Wort mit die Frau jeredet, ooch, als se allemachte, und det reut ihm nu. Darum säuft er, aba nur manchmal.«
    Der Junge, Karl Siebrecht, schwieg überwältigt. Ihn packte die nüchterne, klagelose Selbstverständlichkeit, mit der die dreizehnjährige Rieke Busch von dem allen redete. »Und das trägst du alles so selbstverständlich, Rieke?« rief er und legte seine Hand auf der Stange des Karrens sachte über die kleine verarbeitete Kinderhand.
    »Wat denn sonst? Wat soll ick denn dabei tun? Det is doch so! Da kann keener wat bei machen! Bloß

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