Ein Mann will nach oben
muß bald kommen, und was machen Sie hier mit Wagen und Pferd? Die müssen weg!«
»Ich habe schon einen anderen Wagen bestellt. Er mußgleich hier sein. Aber, Herr Wachtmeister, da sind auch keine besseren Pferde vor als die hier.«
»Zum Gottsdonner!« sagte der Wachtmeister ärgerlich. »Wozu mieten Sie solche Kröpels?! Es gibt doch anständige Gespanne genug in Berlin!«
»Ich muß! Ich habe einen Vertrag mit dem! Aber der will mir einen Streich spielen!«
»Ich werde mir den Jungen schon kaufen, wenn er hierherkommt! Er wird doch kommen?«
»Ich glaube nicht! Höchstens schickt er seinen Anwalt.«
»Einen Anwalt hat er auch? Wer ist denn sein Anwalt?«
»Der Rechtsanwalt Ziegenbrink, Herr Wachtmeister, wenn Sie den kennen.«
»Ach nee!« Der Schutzmann war ganz Nachdenklichkeit. – »Also der Ziegenbrink – sieh da!«
»Kennen Sie den Anwalt, Herr Wachtmeister?«
»Ich?« fragte der Schutzmann empört. »Wie komme ich denn dazu?! Wie soll ein einfacher Schutzmann den Herrn Rechtsanwalt Ziegenbrink kennen?« Karl Siebrecht war überzeugt, daß der Blaue den Anwalt kannte, aber vielleicht war es gefährlich, auch nur dies zuzugeben. Der kleine Herr Ziegenbrink mit der Goldbrille schien ein recht gefährlicher Mann zu sein.
Nun kam der Reservewagen geschlichen, und die Kutscher fingen an, das Gepäck umzuladen. Kopfschüttelnd sah der Schutzmann zu. »Keinen Strich besser sind die Gäule als die anderen«, sagte er mißbilligend. »Jeder kann sich sofort wieder so hinlegen wie der Schimmel!«
»Ja«, sagte Karl Siebrecht nur.
»Mit den Pferden kriegen Sie an einem Tag mehr Scherereien«, sagte der Schutzmann väterlich, »als Sie in einem Jahre wiedergutmachen können. Stecken Sie die Fahrerei lieber auf, junger Mann!«
»Aber ich muß doch das Gepäck abfahren!«
»Muß? Mit den Gäulen gibt’s kein Muß!« Damit wandte sich der Schutzmann zu dem Abdecker, der eben auch mitseinem hohen Wagen gekommen war. Schweigend sah die wieder reichlich angeschwollene Menge zu, wie der tote Schimmel mit einem Flaschenzug in den Wagen gezogen wurde. Dabei standen die drei anderen Pferde, alle ebenso reif für diesen Wagen. Manch böses Wort wurde aus der Menge gesprochen.
Karl Siebrecht stand stumm dabei. In ihm sprach es: Gib es auf! Das schaffst du nicht! Und wieder sprach es: Ich gebe es nicht auf! Ich fahre mein Gepäck. Ich muß es fahren. Er schickte den Jahnke mit dem leeren Wagen und dem einen Pferd auf den Fuhrhof zurück. »Hören Sie, Jahnke«, sagte er noch, »wenn Sie in den nächsten Tagen Arbeit suchen sollten, Sie wissen ja, wo mein Büro ist. Ich kann Ihnen allerdings keine Pferde versprechen …«
»Lieber will ich Klosetts räumen, als noch einmal mit solchen Pferden fahren!« sagte der Mann böse.
»Sie fahren ganz langsam auf den Anhalter«, befahl Siebrecht dem anderen Kutscher. »Sie rühren mir keine Peitsche an! Der Anschlußzug ist doch versäumt, wir werden heute noch viele Anschlüsse versäumen …«
45. Die Niederlage
Während er heimwärts radelte, sagte er sich: Ich darf nicht verloren sein! Ich kann nicht verloren sein! Ich muß es durchkämpfen! Dann sah er sie im Laden sitzen, die beiden Feindinnen, Rieke und die Palude, beieinander, und schon das schien ihm ein schlechtes Zeichen. »Nun, wie viele Pferde sind noch tot?« fragte er und versuchte zu lächeln.
Aber gottlob war kein weiteres Pferd tot. Doch die Nachrichten, die Fräulein Palude von ihrem Zettel ablas, waren auch ohnedies schlimm genug. Zwei Kutscher hatten ausgespannt, hatten die beladenen Wagen auf der Straße stehengelassen und waren wieder in den Stall gezogen. Ein Wagen hatte einen Zusammenstoß gehabt – er hatte nicht rasch genugausweichen können –, ein Rad war gebrochen, und die Koffer waren auf die Straße gestürzt. Dort war jetzt Kalli Flau. Der Reservewagen, den er zur Privatkundschaft geschickt hatte, war noch nicht zurück – der Lehrling Bremer suchte ihn. Vom letzten Wagen fehlte jede Nachricht. Dafür hatten sich aber schon drei Bahnhöfe gemeldet und höchst ungehalten angefragt, wie das mit der Gepäckabfuhr stünde? Dutzende von Reisenden hätten sich schon beschwert … Und es war kaum erst Mittag!
Die beiden Mädchen wollten vieles fragen und sagen, aber er gebot ihnen Stillschweigen und ging nachdenklich im Büro auf und ab. Das war richtig: mit den Pferden war es nicht zu machen, in einem halben Tag war alles so sorgfältig Organisierte schon in die heilloseste Verwirrung
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