Ein Mann will nach oben
hier links um das Haus herum, Vater ist hinten im Garten. Tun Sie, als wenn Sie von der Gärtnerei geschickt wären – und dann? Das ist Ihre Sache! Weiß der Himmel, was daraus wird!« Sie betrachtete ihn kritisch. »Hoffentlich sind Sie im Umgang mit alten Herren geschickter als mit jungen Damen!«
»Also, ich will es versuchen! Ich danke Ihnen!« sagte er mit einem Seufzer. »Würden Sie so nett sein, unterdes für mich den Daumen zu halten? Es kommt wirklich für mich enorm viel darauf an!«
»Haben Sie eine Ahnung, was ich noch alles zu tun habe! In einer halben Stunde essen wir, und das Mädchen ist krank geworden! Ich habe keine Zeit für Daumenhalten!« Ganzüberraschend schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu, und mit einem Seufzer ging er um das Haus herum. Aus dem Schatten kam er in die Sonne, und doch war ihm so, als sei es jetzt nicht mehr so hell wie neben der Tür. Dann erblickte er Herrn Gollmer auf dem Rasenplatz.
Herr Gollmer war ein großer, ziemlich fetter Mann, der im Augenblick nur mit einem bunten Hemd und einer grauen Flanellhose bekleidet war. Er hatte einen sehr großen, völlig eiförmigen Schädel, der so blank war wie eine Billardkugel – man mußte lachen, daß dieser haarlose Mann der Vater einer so lockigen Tochter war. Herr Gollmer war damit beschäftigt, aus einem jungen türkisgrünen Rasen Gänseblümchen und Butterblumen auszureißen, eine Beschäftigung, die seiner Stimmung nicht gut bekam. »Da!« sagte er zornig. »Das nennen Sie also einen echt englischen Rasen, und dann säen Sie mir solch Dreckzeug rein!« Er betrachtete unwillig die gelbe freundliche Butterblume, die er in der Hand hielt. »Zum Unkrautzüchten brauche ich keinen Gärtner, das schaffe ich allein.«
In Karl Siebrecht tauchten Erinnerungen an den väterlichen Garten auf – wie oft hatte er dort mit der alten Minna Unkraut gejätet, Obstbäume zurückgeschnitten, sogar an das Rosenokulieren hatten sie sich gewagt. »Vom Abreißen gehen die Kuhblumen nicht weg, Herr Gollmer«, sagte er. »Die müssen ausgestochen werden. Es gibt Distelstecher, die kann man sehr gut dafür gebrauchen. Man braucht sich nicht einmal zu bücken dabei.«
»So!« grollte Herr Gollmer. »Dann bringen Sie mir das nächste Mal so einen Distelstecher mit! Aber vergessen Sie ihn nicht wieder, wie ihr alles vergeßt!« Er musterte den jungen Menschen mit Mißbilligung. »Wieder ein neues Gesicht. Nie kommt derselbe Mensch in meinen Garten. Nie weiß einer Bescheid. Was ist nun also mit meinen Blattläusen –?«
»Wenn ich sie einmal sehen dürfte?« fragte Karl Siebrecht vorsichtig.
»Sehen –?! Sie müßten die Aasbande schon riechen von hier! – Kommen Sie mit!« Der Automobilkaufmann führteseinen Gärtner ans Haus. Dort standen an langen Spalieren Pfirsiche, Aprikosen und Kirschen. Sie hatten schon ausgeblüht, deutlich sah man die grünen verdickten Fruchtknoten, aber – »Aber ist das nicht ein Jammer?« rief Herr Gollmer. »Sie haben in diesem Jahr so schön geblüht wie noch nie, kein bißchen Frost ist in die Blüte gekommen, und nun sehen Sie sich das an – sehen Sie sich das an!« wiederholte er mit gesteigerter Stimme. »Ich habe mit dem Dreckzeug gespritzt, das mir Ihr Meister gegeben hat, aber das ist ja, als wenn es Zucker für das Viehzeug wäre! Die leben und vermehren sich immer doller! Es ist rein ekelhaft!« Und er schaute mit tiefer Abneigung auf das grünlich-schwärzlich klebrige Gewimmel, das an jeder Astspitze, an jedem Fruchtknoten, an jedem Blatt schmarotzte.
Und wieder half Karl Siebrecht seine Erinnerung. »Mit Spritzen allein ist es nicht getan, Herr Gollmer«, sagte er.
»So!« rief der kampfeslustig. »Das sagen Sie mir nun, wo ich gespritzt habe wie die Feuerwehr? Ich habe nach Teer gestunken wie ein altes Bootshaus, meine Tochter hat mich aus der Wohnung gejagt –«
»Sehen Sie hier die Ameisen?« rief Siebrecht eifrig. »Sehen Sie, wie die hier an dem Kirschbaum hochwandern? Schauen Sie mal genau hin: hier bitte, die da und die und die – die tragen alle Blattläuse. Die Ameisen bringen die Läuse auf die Kirschen …«
»Wahrhaftig, Sie haben recht – da turnt wieder so ein Aas! Aber wozu tun sie das? Bloß um mich zu ärgern?«
»Da, sehen Sie jetzt die Spitzen an, da sitzen die Blattläuse und saugen den Saft aus den Zweigen, und wieder sind die Ameisen bei ihnen. Aber diesmal tragen sie die Läuse nicht fort, sondern sie streicheln sie, sie melken sie. Der Saft der Läuse ist
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