Ein Mann will nach oben
wie vor den Kopf geschlagen. Das war also das Letzte, was sie sich ausgedacht hatten: seine Firma bestand widerrechtlich. Nach dem Buchstaben des Gesetzes existierte sie nicht. Wenn aber die Firma nicht existierte, dachte er immer schneller, so war ihre Firmenunterschrift ungültig,es existierten also auch keine Verträge mit ihr. Und er hatte sich an jeden Buchstaben des Vertrages gehalten, dieses Vertrages, den die Partner nun für einen wertlosen Fetzen Papier erklärt hatten. Noch eine Dummheit – Dummheiten über Dummheiten, unbegreiflich die Geduld dieses alten Regierungsrates, der einen so törichten jungen Menschen noch ernst nahm!
»Und wann werden Sie mündig?« hörte er den Herrn Kunze fragen. »Wann werden Sie einundzwanzig Jahre alt?«
»Am einundzwanzigsten Juli. In zwei Monaten.«
»Nun, das ist keine lange Zeit mehr«, antwortete der Regierungsrat. Er hatte einen dicken Blaustift zur Hand genommen und fing jetzt an, quer über die Anzeige mit großen Buchstaben etwas zu malen. »Aber Ihr Partner ist jedenfalls mündig, nicht wahr?«
»Doch, der ist mündig.«
»Lassen Sie also in den nächsten beiden Monaten lieber Ihren Partner unterschreiben, was unterschrieben werden muß. Haben Sie es überhaupt nicht so eilig, namentlich nicht mit dem Unterschreiben von Verträgen.« Herr Kunze lächelte schwach. Er war jetzt fertig mit seinem Blaustift. Quer über die Anzeige war geschrieben »Wieder vorlegen in drei Monaten«. Er betrachtete sein Werk mit Befriedigung, dann legte er das Blatt in den Akt und schob ihn wieder in das Regal zurück.
Nun nahm er den Akt Siebrecht & Flau zur Hand. Er blies einmal über ihn fort, als wolle er Staub wegblasen, der doch nicht darauf lag. Den Akt in Händen, sprach er: »Sie verstehen, Herr Siebrecht, daß die Direktion so lange nicht mit Ihnen verhandeln kann, solange die Gepäckabfuhr ein Chaos ist. Bringen Sie die wieder in Ordnung, sagen wir in drei Tagen –« Er sah Karl Siebrecht durch die scharfgeschliffene Brille an.
Der hätte vieles antworten können. Daß dies unmöglich war, daß er den Kampf verloren hatte, daß ihm keine Mittel mehr zur Verfügung standen … Aber er besann sich. Dieser inden Akten lebende Mann hatte zum mindesten einen ebenso guten Ausblick in die Welt draußen wie er selbst. Wenn der so sprach, so mußte es eben möglich sein, das Chaos in drei Tagen zu ordnen. Karl Siebrecht verbeugte sich schweigend.
»Und wenn dann wieder alles in Ordnung ist«, fuhr Herr Kunze sichtlich befriedigt fort, »dann kommen Sie noch einmal zu uns. Vergessen Sie dann aber Ihren – mündigen Partner nicht. Wir werden über den Ausbau Ihres Unternehmens reden. Wir werden uns in irgendeiner Form daran beteiligen. Wir verdienen auch ganz gern Geld. O nein, wir tun es nicht umsonst, nicht aus Liebe zu Ihnen, wir tun es wegen Geld!« Er klopfte sachte mit dem Akt auf seinen Schreibtisch. Dann blies er noch einmal über ihn hin und legte ihn in sein Fach zurück. »Es hat mich sehr gefreut, Herr Siebrecht! Auf Wiedersehen also in vier oder fünf Tagen!«
»Auf Wiedersehen!« antwortete Karl Siebrecht, und jetzt glaubte er es fast selbst, daß es möglich sein würde, Herrn Regierungsrat Kunze wiederzusehen, was hieß, das Chaos in Ordnung zu bringen.
48. Der Vater einer jungen Dame
Eine halbe Stunde später steht Karl Siebrecht in einem großen Automobilgeschäft Unter den Linden. Wenn es ihm nicht so auf den Nägeln brennte, würde er sich nie ohne alle Vorbereitungen in dieses pompöse Geschäft getraut haben. Aber Herr Kunze hatte ihm gesagt, in drei Tagen müsse das Chaos in Ordnung sein.
Es ist etwas Phantastisches, Unmögliches, Lachhaftes, was er sich vorgenommen hat: er, der keine fünfhundert Mark mehr besitzt (und die Gehälter für die Palude und Egon sind noch nicht bezahlt), will fünf Automobile kaufen oder leihen, und die Fahrer dazu!
Vergeblich versucht der Prokurist, in dessen Händen Karl Siebrecht schließlich gelandet ist, zu erkunden, was dieserjunge Mensch eigentlich will. Er weigert sich, seine Wünsche zu äußern. Er will nur mit dem Chef selbst reden … »Aber ich sage Ihnen doch, der Chef kommt höchst selten ins Geschäft, noch nicht zweimal in der Woche!« versichert der backenbärtige Prokurist nun schon zum dritten Mal. »Und um den Verkauf kümmert sich der Chef selbst gar nicht. Sie können mir ruhig alles sagen. Wenn ich mich nicht irre, möchten Sie ein Automobil auf Abzahlung kaufen? Nun, darüber können wir ja
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