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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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für sie, was der Honig für die Bienen ist. Darum tragen die Ameisen die Läuse in die Kirschen, damit die ihre Weide finden und damit die Ameisen dann den süßen Saft melken können.«
    »Die Ameisen melken die Läuse. Sieh da, Sie sind keindummer junger Mann«, sagte Herr Gollmer nachdenklich. »Sie sind der verständigste Gärtner, den mir Ihr Meister bisher geschickt hat.« Er betrachtete den jungen Mann nicht ohne Wohlwollen. Karl Siebrecht erwog, ob jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zum Sprechen gekommen wäre, aber es war noch zu früh. Die wohlwollende Stimmung mußte sich erst festigen. Unwillkürlich warf er einen Blick hinauf zu den Fenstern der Villa. Und als sei es von diesem Blick herbeigezogen worden, erschien das junge Mädchen in einem dieser Fenster. Es hatte die Hände erhoben und zeigte, daß es beide Daumen mit Intensität drückte. Dabei nickte es so nachdrücklich mit dem Kopf, daß die langen Locken wehten. Und wie ein Spuk war das Mädchen wieder verschwunden. All dies war so schnell gegangen, daß Herr Gollmer nur hatte fragen können: »Und was mache ich nun? Nun habe ich zu den Blattläusen auch noch die Ameisen! Hoffentlich haben Sie nicht alle sieben ägyptischen Plagen für mich in Vorbereitung.«
    »Wenn Sie spritzen, Herr Gollmer«, sagte Karl Siebrecht geläufig, »zerstören Sie wohl die Blattläuse. Aber ein Teil entgeht Ihnen immer. Und von diesen tragen die Ameisen sich neue Kühe auf die eben befreiten Zweige, also müssen Sie zuerst die Ameisen vernichten, Ameisen gehören überhaupt nicht in einen ordentlichen Garten.« – Herr Gollmer betrachtete ihn düster. – »Das ist ganz einfach, Sie gießen jeden Ameisenbau mit heißem Wasser aus. Dann hindern Sie die Ameisen, an den Obstbäumen hochzugehen, das ist schon schwieriger, denn jeder Stamm, jede Stelle, wo die Spaliere in der Erde enden, muß gut mit Raupenleim bestrichen werden.« – Herrn Gollmers Miene wurde immer düsterer. – »Und wenn Sie das alles getan haben, dann spritzen Sie, und in drei oder fünf Tagen haben Sie Ihr Obst blattlausfrei. Natürlich müssen Sie von Zeit zu Zeit den Leimanstrich erneuern, aber das macht nicht viel Mühe.« Karl Siebrecht sah Herrn Gollmer zufrieden mit dem entwickelten Arbeitsplan an.
    »Hören Sie mal«, sagte der jetzt düster. »Sie sagen immer ›Sie‹, ›Sie‹. Meinen Sie, ich soll das alles tun? Mit heißem Wasser laufen und Leim aufstreichen?«
    »Natürlich! Sonst werden Sie die Biester nie los!«
    »Mein lieber Jüngling«, sprach Herr Gollmer mit Nachdruck, »reden können Sie gut, aber dafür bezahle ich Sie nicht, sondern fürs Arbeiten. Sehen Sie da hinten den Schuppen? Da drin ist Raupenleim und die Obstbaumspritze, und heißes Wasser kriegen Sie in der Küche. Und nun machen Sie sich mal fein an Ihre Arbeit. Ich werde unterdes mittagessen, dann wollen wir sehen, was Sie außer Reden leisten.«
    »Einen Augenblick, Herr Gollmer!« rief Karl Siebrecht entsetzt. Er wußte, es war ein ganz falscher Augenblick, aber er konnte doch nicht hier, da die Entscheidung drängte, stundenlang Blattläuse vertilgen. »Ich bin nämlich gar kein richtiger Gärtner, ich bin …«
    »Daß Sie kein richtiger Gärtner sind, habe ich schon längst gemerkt. Ein Gärtner verrät nämlich nie seine Geheimnisse. Der hätte die Läuse vertilgt und mich an ein Wunder glauben lassen. Sie werden wohl so ein Gelegenheitsarbeiter sein – in alle Berufe reingerochen und keine Lust zu vernünftiger Arbeit! Wir werden es uns ja nachher besehen! Mahlzeit!«
    Verzweifelt sah ihm Karl Siebrecht nach. Aber daß dies nun wirklich nicht der richtige Augenblick war, Herrn Gollmer aufzuklären, das begriff auch er – trotz aller Eile, die er hatte. Herr Gollmer hätte ihn für einen Faulenzer erklärt und vor die Tür gesetzt. Seufzend ging Karl in den Gartenschuppen. Er fand dort alles, was er brauchte, er fand sogar ein Paar sehr schmutzige schilfleinene Hosen, aber besser, als seinen guten Anzug einzuschmutzen, war das doch. Er zog sich um und begab sich mit zwei Gießkannen in die Küche.
    Hatte er zuerst nur widerwillig gearbeitet, so kam allmählich Tempo in die Sache. Ihm wurde klar, daß er etwas leisten mußte, wenn seine Bitte auch nur die kleinste Aussicht auf Erfolg haben sollte. Er brühte und lief Trab, die Kannen klapperten, manchmal, wenn er stillestehend sich den Schweißvon der Stirn wischte, sah er zu den Fenstern der Villa hoch. Sie lag ruhig und schweigend da, die Fenster

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