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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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stehen noch immer da!«
    »Welche beiden?« Aber er wußte schon die Antwort.
    »Na, die Wagenseils doch! Franz und Else!«
    »So!« sagte er. Trotzdem er die Antwort gewußt hatte, war er jetzt verwirrt. »Stehen sie schon lange da?«
    »Doch, der Herr Frenz hat ihnen doch det Haus verboten!«
    »Was wollten sie denn?«
    »Na, mit dir sprechen doch, Karle!«
    Er machte sich härter als er war. »Nein«, sagte er, »ich habe mit denen nichts mehr zu sprechen.«
    Sie schwiegen eine Weile. Dann fragte sie: »Haben die jar nischt mehr?«
    »Ich weiß nicht, Rieke. Ich glaube nicht. Nein.«
    »Nicht mal ’ne Bleibe for de Nacht?«
    »Ich weiß nicht, wahrscheinlich nicht.«
    Sie schwieg lange. Dann sagte sie halblaut: »Und die Else hat ihr schwarzet Seidenkleid an, und denn nich wissen, wo schlafen …«
    »Machst du mir einen Vorwurf, Rieke?« fragte er plötzlich. »Wenn die nun gesiegt hätten, und ich stünde draußen, glaubst du, ihm wäre das Herz schwer gewesen? Gelacht hätte er über mich! Mir ist das Herz schwer, Rieke!«
    »Ick weeß ja, Karle! Ick mache dir ja ooch keenen Vorwurf, ick habe Wagenseils nie jemocht. Bloß, det se so da draußen stehen! Kannste denn nischt for se tun?«
    »Ich will nichts für sie tun.« Er besann sich: »Das ist alles schon einmal passiert, Rieke. Mit kleinen Vorschüssen fing es an, und sie wurden immer größer. Aber da hatte er schon ein Recht auf Vorschüsse, und als ich sie ihm verweigerte, ging er hin und spielte mir gemeine Streiche. Nein, ich will nicht wieder mit ihm anfangen.«
    »Kannste ihm keene Arbeit geben?«
    »Er würde mich bei jeder Abrechnung betrügen!«
    »Denn mach ihn doch zum Kutscher! Mit Pferden weeß er Bescheid!«
    »Ich brauche keine Kutscher mehr, ich habe Chauffeure!«
    »Du willst ihm eben nich helfen!«
    »Richtig, ich will nicht!«
    Sie spähte durch die Gardinen. »Jetzt streiten se sich«, flüsterte sie.
    »Warum sollen sie sich nicht streiten? Sie haben sich ihr ganzes Leben lang gestritten!« Und plötzlich: »Hier, Rieke, bring jedem zwanzig Mark. Aber sage, daß es von dir kommt, sage nichts von mir! Versprich mir das!«
    »Ick wer doch nich tun, wat du nich willst, Karle! Bist janz ruhig!«
    Jetzt stand er hinter der Gardine. Er sah Rieke über die Straße gehen, der Streit zwischen den beiden Eheleuten brach ab. Sie redeten alle drei miteinander. Franz wurde immer hitziger. Wahrhaftig, er schrie und schimpfte. Er drohte mit derFaust gegen den Laden. Dann beruhigte er sich langsam, jetzt gab ihnen Rieke das Geld. Überraschend schnell trennten sie sich. Rieke kam ins Haus zurück. Langsam ging Frau Else Wagenseil in ihrem schwarzen Seidenkleid die Eichendorffstraße hinunter, tiefer in die übel beleumundeten Straßen hinein. Der Franz stand noch am längsten da. Dann überquerte er den Fahrdamm, ging in der Richtung auf den Stettiner Bahnhof. Karl konnte leicht erraten, wohin Franz ging: in die Großdestillation an der Ecke, wo Mut und Erfolg in kleinen Groschengläsern verkauft werden.
    »Soll ick abräumen, Karle?« fragte Rieke in seinem Rücken. »Biste satt?«
    »Ja, ich bin satt, Rieke«, antwortete er.

ZWISCHENSPIEL: IN DER FREMDEN HEIMAT

    51. Bowle und Bild

    »Nein, nein«, sagte Herr Gollmer und strich mit der flachen Hand über seinen kahlen Schädel, »fahren Sie nur ruhig für ein paar Tage in Ihre Heimat. Ich habe da gar keine Bedenken. Wenn wirklich Krieg kommt, müssen Sie doch Ihren Laden zumachen.«
    »Aber dann ist soviel zu tun«, widersprach Karl Siebrecht. Sie saßen im Garten der Grunewaldvilla. Es war Juli geworden, Juli im Jahre des Unheils 1914.
    »Dann ist gar nichts zu tun«, meinte Herr Gollmer. »Ihre Autos liefern Sie an die Heeresverwaltung ab, und Sie selbst marschieren in die nächste Kaserne. Zu alldem kommen Sie immer noch zurecht. Sie werden doch auch mündig in diesen Tagen, nicht wahr? Sie müssen doch schon wegen der Vormundschaftsabrechnung dorthin!«
    »Werden Sie wirklich schon mündig?!« rief Ilse Gollmer lachend. »Ich kann es gar nicht glauben! Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Sie mit einer Schürze herumliefen! Und nun sind Sie ein richtiger erwachsener Mann – nein, so was!«
    Sie hatten sich ein paarmal seit jenem entscheidenden Maitage gesehen, immer nur ganz kurz – über kleine Sticheleien waren sie noch nicht hinausgekommen.
    »Ja, Fräulein Gollmer«, antwortete Karl Siebrecht ernsthaft, »und ich war noch so klein, als wir uns kennenlernten, daß ich alles

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