Ein Mann will nach oben
lachte. »Oh, Herr Kalubrigkeit war eine Blüte der Inflation, unser erster und letzter Mieter. Eine Panikerscheinung meiner Mutter. Mutter sah uns schon verhungern, und so kam Herr Kalubrigkeit als Retter in unser Haus.« Wieder lachte sie. »Er kam uns sehr geheimnisvoll vor. Nie ging er aus seinen vier Wänden. Ständig sprach er mit sich. Und wenn er ins Badezimmer ging, nahm er stets seine beiden Ledertaschen mit. Wieviel hat er übrigens bekommen?«
»Anderthalb Jahre Gefängnis.«
»Nun, wir werden unser Urteil erst später über ihn sprechen, nicht wahr? Erst später wird sich zeigen, ob die durch ihn vermittelte Bekanntschaft gut oder schlimm ausging.« Eine Weile saß sie stumm neben ihm, ihre Hand neben der seinen auf dem Steuerrad … »Hören Sie zu«, sagte sie dann. »Ich habe also meinem Vater von Ihnen erzählt. Er hat Erkundigungen eingezogen, ich glaube, es gibt auch Akten über Sie?«
»Ja, die gibt es wohl.«
»Was Vater sich für ein Bild von Ihnen gemacht hat, weiß ich nicht, jedenfalls will er Sie sprechen. Erzählen Sie ihm nicht alles, was Sie mir erzählt haben, erzählen Sie ihm zum Beispiel nicht, daß Sie diesen Wagen im Spiel gewonnen haben, so was ist nichts für Vater. Reden Sie überhaupt möglichst wenig. Wenn Vater Ihnen Vorschläge macht, so sagen Sie, daß Sie es sich überlegen wollen, und sprechen Sie erst mit mir. Wahrscheinlich werde ich dabeisitzen, aber nur als brave Tochter, wir besprechen alles viel besser unter vier Augen.«
Er war sehr überrascht. »Und ich dachte«, sagte er etwas verwirrt, »ich glaubte immer, Sie nehmen es ganz genau mit der Wahrheit!«
»Das tue ich auch«, antwortete sie und war nicht die Spurgekränkt. »Aber Wahrheit nur, wo sie hingehört. Glauben Sie, ich werde Ihrer Krienke sagen, was ich von ihrem schrecklichen Zimmer denke? Und Vater ist ein alter Mann, warum soll er sich meinetwegen ängstigen? Er hat eine sehr brave und sehr vernünftige Tochter. Warum soll ich ihm sagen, daß diese Tochter einem fremden Mann nachläuft?« Wieder lachte sie, es klang nicht froh. »Aber zwischen uns beiden wäre es sofort zu Ende, wenn ich merkte, Sie schwindeln mich an. Das wissen Sie doch?«
»Ja, das weiß ich«, sagte er ein wenig bedrückt. Dann entschloß er sich: »Ich habe Ihnen zwei Sachen noch nicht gesagt, Fräulein Eich, die Sie wissen müssen.«
»Sagen Sie sie. Sagen Sie das Schlimmste zuerst.«
»Sie haben mich neulich abends nicht gefragt, warum ich Sie dann doch angerufen habe …«
»Daran habe ich später auch gedacht. Und warum haben Sie mich also angerufen?«
»Ich habe einen Freund …« Er berichtete ein wenig von Senden, dann von dem Rat, sich zur Verbesserung seiner Stimmung eine nette junge Freundin zu nehmen. Er war sehr bedrückt bei diesem Bericht, er fand es kränkend für sie, daß er sie gerade in diesem Zusammenhang angerufen hatte.
Aber sie fing an zu lachen. »Oh, Sie armer Kerl, Sie!« lachte sie. »Da hat Ihnen Ihr Freund eine recht vergnügte Berlinerin verordnet, und Sie geraten an mich! Zeigen Sie mich nie Ihrem Rittmeister, oder er gibt Sie für ewig auf! Und was ist das zweite?«
Doch schon nach seinen ersten Worten über Gerti unterbrach sie ihn. »Das geht mich nichts an«, sagte sie kurz. »Was vorher war, gilt nicht, verstehen Sie? Es muß nur zu Ende sein, völlig zu Ende. Es ist doch zu Ende?«
»Ja«, sagte er.
»Gut«, sagte sie und stand auf. »Und jetzt werden wir doch ein Taxi nehmen, es ist reichlich spät.«
Sie saßen dann stumm in dem Taxi nebeneinander, jedes mit seinen Gedanken beschäftigt. Er grübelte über diesesseltsame Mädchen nach, das mit ihm sprach und für ihn handelte, als sei sie schon seine Geliebte oder Braut, und das noch nicht eine zärtliche Bewegung gemacht hatte. Alles schien ihm kalt, klar und genau berechnet bei ihr, und doch glaubte er schon jetzt unter diesem kalten Eis ein Feuer glühen zu sehen, das gefährlich war, ihr wie ihm. Plötzlich fragte sie: »Haben Sie Geld? Haben Sie Ersparnisse?«
»Nicht der Rede wert. Etwa zweitausend Mark.«
»Haben Sie Freunde«, fragte sie wieder, »die Vertrauen zu Ihnen haben, die sich mit Geld an Ihren Geschäften beteiligen würden?«
Er überlegte. »Ich glaube, ja. Zwei weiß ich, den Herrn von Senden und den Händler Engelbrecht, von dem ich das Auto gewonnen habe.«
»Wieviel Geld können Sie zusammenbringen?«
»Ich kann es wirklich nicht sagen.«
»Zehntausend Mark, zwanzigtausend?«
»O ja, das glaube
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