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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Zeit verreist.«
    »Aber er wird zweifelsohne pünktlich zur Trauung zurück sein«, sagte Herr Messerschmidt eilig. »Herr Eich hat noch nie einen Termin versäumt.«
    »Das ist ein großer Trost!« antwortete Karl Siebrecht und ging.
    Dann saß er wieder auf seinem Büro. Die zu diktierende Post lag vor ihm, aber er hatte die Stenotypistin fortgeschickt, er konnte jetzt nicht diktieren. Es waren noch dreiundzwanzig Stunden bis zu seiner Hochzeit, und sie hatte noch immer kein Lebenszeichen von sich gegeben. Nun wünschte er schon beinahe, daß sie ihm ein letztes Nein telegrafierte, damit sein Schicksal endlich entschieden war – zum Schlimmen, aber entschieden war. Er griff zum Hörer und ließ sich mit seiner Wohnung verbinden. Er stellte die Fragen, die er in diesen Tagen so oft gestellt hatte: »Niemand dagewesen? Nichts abgegeben? Keiner angerufen?«
    »Nichts, Herr Direktor«, antwortete Hilde, und er legte den Hörer wieder auf. Noch dreiundzwanzig Stunden, und vielleicht bekam er erst in der allerletzten Minute Gewißheit! Die Tür öffnete sich, ein Mädchen erschien … »Ich will nicht gestört werden!« rief er gereizt.
    »Herr Eich möchte Sie sprechen, Herr Direktor«, meldete das Mädchen.
    Herr Eich trat ein. Er sah seltsam verändert aus in einem großen flauschigen Kamelhaarmantel, der ihm fast bis auf die Schuhe reichte, mit einer großkarierten Reisemütze. Seine Gestalt schien zusammengekrochen, das Gesicht war alt und müde, das Kinn hing, der kalte gelbe Blick war trübe geworden.Herr Eich ließ sich müde in einen Sessel sinken und sah sein Gegenüber an. Dann sagte er: »Ich bin eben vor Ihrer Tür aus dem Auto gestiegen, ich komme von ihr. Ich habe alles versucht, sie bleibt dabei, sie will nicht.« – Siebrecht sah den plötzlich so alten Mann schweigend an. – »Ich gebe Ihnen jetzt freie Hand«, sagte Herr Eich. »Nehmen Sie sich ein Auto, einen starken Wagen, Sie können es gerade noch bis morgen mittag schaffen. Sie ist im Thüringer Wald, in der Coburger Gegend. Mein Chauffeur schreibt Ihnen gerade auf, wie Sie fahren müssen. Es sind da ein paar Straßenumleitungen …« Immer der kluge, bedachtsame Kopf, auch noch in der Niederlage. »Wenn Sie nichts ausrichten, brauchen Sie nicht wiederzukommen, ich nehme an, Ihnen ist klar, daß Ihre Rolle dann ausgespielt ist. Davon erholen Sie sich nie.« Er stand mühsam auf. »Übrigens ich mich auch nicht«, sagte er. »Mein Pensionierungsgesuch liegt fertig auf meinem Schreibtisch. Morgen um elf Uhr geht es ab.« Er gab dem anderen nicht die Hand. »Ich kann Ihnen nicht guten Erfolg wünschen. Sie sind nicht der Mann, der Frauen glücklich macht.« Er nickte kurz und schickte sich an, aus dem Zimmer zu gehen.
    »Einen Augenblick noch, Herr Eich«, sagte Karl Siebrecht. »Ich habe Sie doch richtig verstanden, Sie lassen mir vollkommen freie Hand?«
    »Sie haben mich vollkommen richtig verstanden«, antwortete Herr Eich. »In dieser Sache können selbst Sie nichts mehr verderben.« Und er ging.
    Von diesem Augenblick an war der Direktor des Berliner Bahnhof-Eildienstes für seine Firma verschwunden. Auf seinem Tisch warteten Briefe, immer wieder sah Herr Körnig mit einem Päckchen Schecks in das Chefzimmer, aber der Chef war verschwunden.
    Der Chef stand in der Garage, er suchte sich selber einen Leihwagen aus, ein imponierendes Ungetüm aus schwarzem Lack und Leder, das Urbild der Zuverlässigkeit. Er sprach lange mit dem Chauffeur, einem Mann, der nach den gleichen Prinzipien wie sein Wagen gebaut schien: einem gedrungenen,scharfgesichtigen Mann, die Ruhe selbst. »Das schaffen wir«, sagte der Chauffeur und sah die Notizen des Eichschen Fahrers durch. »Wenn wir in zwei Stunden abfahren können, schaffen wir es spielend.«
    »Ich hoffe, wir können in zwei Stunden abfahren! Halten Sie alles bereit, tanken Sie!«
    Er nahm eine Taxe, mit der er in die Artilleriestraße fuhr.
    Er hatte schon bei der Nennung seines einzigen Hochzeitsgastes den Einfall gehabt, der Rittmeister müsse in der schlimmsten Not helfen. Nun war es soweit, schlimmste Not war gekommen, aber jetzt schien ihm sein trefflicher Einfall gar nicht mehr so trefflich. Wenn er, der Geliebte, nicht den geringsten Einfluß auf dies Mädchen hatte, wenn selbst der Vater unverrichteter Sache heimgekehrt war – wie konnte da ein Mann etwas ausrichten, den Hertha Eich ein einziges Mal gesehen hatte? Nun wohl, es war ein gelungener Abend gewesen damals, aber es war ein Abend beim

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