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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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prahlerischen Brief geschrieben hatte: er war dort jetzt der Besitzer eines Bankgeschäftes und schon wieder ein reicher Mann – wie er schrieb. Er hatte dem Herrn von Senden dringend die Anlage seines Vermögens bei dem Bankgeschäft in Holland empfohlen.
    Der Rittmeister rauchte noch eine Zigarette. Dann meinte er gähnend: »Und nun entschuldigst du mich, mein Sohn Karl. Ich hatte seit fünf Uhr Dienst und möchte gern ein bißchen schlafen. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Herr von Senden.«
    Sie fuhren und fuhren. Dörfer tauchten auf aus dem Dunkel und versanken rasch hinter ihnen wieder im Dunkel. Sie wanden sich durch Städtchen und Städte, in denen einsame Gaslaternen Straßen beleuchteten, auf denen niemand mehr ging. Der Wagen fuhr sehr schnell. Karl Siebrecht kannte die Strecke, er saß mit der Uhr in der Hand da und berechnete immer wieder die Zeit, zu der sie dort sein würden. Zwei Uhr nachts war das günstigste.
    Der Rittmeister schlief fest. Der Mann hatte wieder einmal recht gehabt, nicht mehr von der Sache zu reden. Es kam nicht darauf an, was er, sondern was sie zu sagen hatte. Wenn sie überhaupt etwas sagen würde. Das schlimmste war, wenn sie gar nichts sagte. Oder wenn sie sofort abgefahren war, als sein Telegramm eintraf. Sie fuhren und fuhren …
    Eine Hand rührte an Karl Siebrechts Schulter. Der Rittmeister sagte: »Der Fahrer meint, wir sind in einer halben Stunde dort. Es ist ein paar Minuten über eins. Erzähle mir jetzt, warum der Vater so plötzlich die Heirat verlangt hat.« Der Rittmeister hatte ein Köfferchen auf seinen Knien, die dunklen Gardinen zum Führersitz waren zugezogen, die Deckenlampe im Wagen brannte, und der Rittmeister war beschäftigt, sein Gesicht mit allerlei Salben einzufetten und zu massieren. Lächelnd sagte er: »Ich bin nicht mehr in deinen glücklichen Jahren, Karl, wo man sich eine Nacht um die Ohren schlagen kann und am nächsten Morgen blühend wie der junge Tag seinen Dienst tut. Im Augenblick fühle ich mich alt und müde, und ich weiß, so sehe ich auch aus. In diesem Zustand kann ich nicht Besuch bei einer jungen Dame machen. Aber laß dich nicht stören, Karl, erzähle!«
    Und Karl Siebrecht erzählte. Der Rittmeister massierte weiter, wusch dann sein Gesicht mit einem scharfriechenden Wasser und fing an, sein Haar sorgfältig zu bürsten. Natürlich hatte der Herr von Senden nie von einer Zeitung mit dem Namen »Der Gute Ruf« gehört, er knurrte grimmig und machte sich dann an seine Fingernägel. Karl Siebrechterzählte von der entscheidenden Verhandlung beim Anwalt.
    »Nun noch eine Zigarette, dann bin ich frisch«, sagte Herr von Senden. »Ich bitte dich übrigens um Entschuldigung, mein Sohn Karl, soweit ich sehe, hast du keinen entscheidenden Fehler gemacht. Erzähle weiter …«
    Der Wagen fuhr langsamer und hielt. Sie schoben die Gardinen zurück und sahen die verstreuten Häuser des kleinen Ortes um sich. Vor ihnen hielt ein anderer Wagen. Der Fahrer sah herein und sagte: »›Die Waldeslust‹ liegt hier gleich um die Ecke. Soll ich vorfahren, oder gehen die Herren das Stück?«
    »Wir können ruhig vorfahren«, antwortete Karl Siebrecht. »Wir werden erwartet. Brennt Licht in dem Hause?«
    »Jawohl, es brennt Licht. Die ersten beiden Fenster neben der Haustür.«
    Karl Siebrecht fragte den Rittmeister: »Wollen wir beide zu ihr gehen, oder wollen Sie erst allein mit ihr sprechen?«
    »Ich werde allein gehen.«
    Wieder hielt der Wagen, und der Herr von Senden stieg aus. »Also, mein Sohn«, sagte er. »Laß dir die Zeit nicht lang werden. Ich denke schon daran, daß du hier wartest. Eine Schachtel Zigaretten liegt auf meinem Platz, und den Rotwein kann ich dir nur empfehlen. Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen, Herr von Senden!«
    Aber er beschäftigte sich weder mit Rotwein noch mit Zigaretten. Er stieg aus dem Wagen und ging langsam auf der Straße hin und her. Nur flüchtig sah er zu dem Haus hinüber, in dem zwei Fenster erleuchtet waren. Wenn ich jetzt daran denke, überlegte er, wird das Warten unerträglich. Ich will jetzt dahinterkommen, wieso der alte Eich mich bei dem Vertrag hereingelegt hat, denn er hat mich hereingelegt, das ist ganz klar. An irgendeiner Stelle müssen wir zuviel Prozente abführen. Und er fing an zu rechnen. Er hatte den Vertrag im Kopf, er wußte jeden Tarifsatz. Zuerst wollten ihn noch andere Gedanken stören, aber er verscheuchte sie. Ich muß esjetzt herausbekommen, gerade jetzt! Er rechnete. Er

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