Ein Mann will nach oben
Wein gewesen, eine einmalige fröhliche Laune hatte sie emporgetragen! Daraus folgte noch nichts.
»Nun, mein Sohn Karl?« fragte der Rittmeister. »Wo brennt es? Was fehlt noch zur Hochzeit, glücklicher Bräutigam?«
»Die Braut!« sagte Karl Siebrecht. »Hertha will mich nicht heiraten. Sie ist fortgefahren, in irgendein Nest nach Thüringen. Eben ist ihr Vater von dort zurückgekommen, er hat auch nichts erreicht: sie will nicht!«
Der Rittmeister legte seine lange schmale Hand auf die Schulter Siebrechts, er drückte zu. Der Griff war scharf wie von einer Geierkralle. »Was hast du angerichtet?« fragte er. »Was hast du dem Mädchen getan?!«
»Nichts!« antwortete Karl Siebrecht und hielt geduldig dem harten Griff stand. »Soviel ich weiß, nichts. Sie will einfach nicht heiraten.«
»Unsinn!« sagte Herr von Senden. »Lüge nicht. Ich habe euch doch gesehen, sie liebt dich! Du mußt irgend etwas Unglaubliches angerichtet haben in deinem gewissenlosen Egoismus!«
»Sie hat sich von Anfang an geweigert, mich zu heiraten. Ich habe sie viele Male darum gebeten. Die Hochzeit morgen hat der Vater verlangt, sie hat wieder nein gesagt.«
Der Rittmeister ließ ihn los. Er sagte kurz: »So tu ihr den Willen, es muß nicht immer geheiratet sein.«
Karl Siebrecht antwortete erbittert: »Ich will eine rechte Ehe führen, ich will viele Kinder haben. Können Sie es sich vorstellen, daß die Mutter meiner Kinder in der Welt herumfährt, kommt und geht, wie sie will? Ich kann es mir nicht vorstellen!« Er sah den Rittmeister einen Augenblick an, dann sagte er: »Aber ich habe keine Zeit mehr zu reden. Auf Wiedersehen, Herr von Senden!«
»Einen Augenblick, Karl«, sagte der Rittmeister wärmer. »Was willst du tun?«
»Ich will zu ihr fahren und werde versuchen, ihr klarzumachen, daß man das eine nicht wollen kann, ohne das andere tun zu müssen.«
»Und wenn es ihr nicht klarwerden sollte?«
»So werde ich hierher an meine Arbeit zurückkehren!«
»Trotz des Eklats –?«
»Trotz des Eklats! Und ich werde eines Tages doch eine Ehe führen und Kinder haben, und wenn ich meine Frau nicht so lieben werde, wie ich es tun müßte, so werde ich meine Kinder lieben, wie es nur der beste Vater tut.«
Der Rittmeister ging einen Augenblick auf und ab. »Du möchtest, daß ich mitfahre?« fragte er dann. – Karl Siebrecht nickte. – »Du willst, daß ich mit ihr rede?« – Wieder nickte Siebrecht. – »Es ist dir klar«, sagte der Rittmeister lächelnd, »daß ich der jungen Dame nicht unbedingt eine Ehe mit dir empfehlen kann? Vielleicht werde ich auch gegen dich reden, ich muß erst hören, was sie zu sagen hat.«
»Ich lasse es darauf ankommen. Wahrscheinlich sagt sie nur nein.«
»Gut, mein Sohn«, sagte der Rittmeister. »Also in einer halben Stunde bei mir. Noch eins: telegrafiere ihr unbedingt unsere Ankunft.« – Karl Siebrecht sah zweifelhaft drein. –»Unbedingt!« sagte der Rittmeister. »Überraschungen dieser Art sind unfein. Entweder will sie mit uns sprechen, oder sie will es nicht. Willst du denn durch Überraschung eine Aussprache erzwingen? Dann hast du von vornherein verloren. Außerdem, wie denkst du dir das? Wir werden nachts um zwei oder drei Uhr dort ankommen. Wir müßten das Haus wachklopfen und sie aus dem Bett holen – glaubst du, das sind günstige Vorbedingungen für eine Aussprache? Nein, du wirst telegrafieren!«
Er telegrafierte. Dann ging er wieder in die Garage und mietete noch einen zweiten Wagen. Den ersten Wagen schickte er voraus, der Fahrer würde ein oder zwei Stunden vor ihnen dort sein. Er hatte Zeit, sich auszuruhen, sie würden einen frischen Fahrer für die Rückfahrt haben – und einen Reservewagen, falls es eine Panne gab.
Pünktlich kam der Herr von Senden und stieg in den Wagen. Sorgfältig wickelte er sich in die Decke, setzte sich behaglich in eine Ecke zurück und sagte: »Gottlob ein Wagen, in dem man die Beine ausstrecken kann! – Es geht los, Chauffeur!«
Sie fuhren los, sie fuhren durch das lichterfüllte Berlin, aus Berlin heraus, und nun umfing sie die dunkle, weite, flache Landschaft, durch die sie fuhren und fuhren … Karl Siebrecht hatte gemeint, Herr von Senden werde viel zu fragen und zu sagen haben. Aber der Freund sagte nichts. Er rauchte eine Zigarette und noch eine Zigarette, dann beschäftigte er sich mit dem Lebensmittelkorb. Dabei erzählte er von dem ehemaligen Schwager Kalubrigkeit, der aus Holland einen frechen, vergnügten und
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