Ein Mann will nach oben
auf. »Er hat mich hundertmal gebeten, ihn zu heiraten, ich kann mich nicht entschließen. Ich reise heute noch ab.«
»Du kannst am Tage deiner Hochzeit abreisen und brauchst den Herrn dann nie wiederzusehen«, sagte Herr Eich fest. »Aber erst wirst du ihn heiraten.«
»Nein!« antwortete sie ebenso fest. »Ich heirate ihn nicht. Jetzt weniger denn je.«
»Wir sprechen noch darüber«, sagte Herr Eich. »Die Hochzeit wird vorbereitet, meine Herren, die Einladungen werden versandt. Von Ihnen, Herr Siebrecht, erwarte ich, daß Sie sich in dieser Zeit jeder Annäherung an meine Tochter enthalten. Wenn Sie in Ihrer fast einjährigen Bekanntschaft sie nicht zu einem so selbstverständlichen Schritt haben bestimmen können, wird es Ihnen jetzt erst recht nicht gelingen!«
»Also ich fahre heute abend«, sagte Hertha Eich und stand plötzlich auf. »Wir sehen uns noch beim Essen, Vater. – Auf Wiedersehen, Karl. Ich hoffe, du bist nicht zu entsetzt, Karlchen, aber du weißt, meine Weigerung hat nichts mit dieser Geschichte zu tun. Eines Tages werde ich vielleicht zu dir zurückkommen …«
Herr Lange bekam einen Hustenanfall.
»Auf Wiedersehen, Lieber!« flüsterte sie und ging.
Er starrte ihr nach wie im Traum. Alle Herren starrten ihr nach. Dann sagte Herr Eich, kühl wie immer: »Es bleibt bei dem Besprochenen. Jeder kennt seine Aufgabe. Ich bitte Sie, Herr Siebrecht, sich in allen Fällen nur mit den HerrenAnwälten, nicht mit mir in Verbindung zu setzen. Die Liste der von Ihnen erwünschten Hochzeitsgäste bitte ich ebenfalls hier auf dem Büro einzureichen. Ich wäre Ihnen dankbar«, er hüstelte, »wenn sich auf dieser Liste nicht Namen wie Engelbrecht vorfänden …«
»Es wird sich nur ein Name auf dieser Liste befinden, Herr Eich.«
»Nämlich?«
»Rittmeister Bodo von Senden.«
Herr Eich hob in höflichem Erstaunen die Brauen. »Sie überraschen mich, Herr Siebrecht.« In diesem Augenblick hatte Karl Siebrecht einen Einfall.
101. Warten vor der Hochzeit
Die fünf Tage, die dieser Verhandlung bis zum Hochzeitstag folgten, gingen mit zermürbender Langsamkeit hin, und sie strichen doch schnell, viel zu schnell vorüber. Jede Stunde, die Karl Siebrecht, zur völligen Tatenlosigkeit verurteilt, durchwarten mußte, wollte nicht enden. Und doch war schon wieder ein Tag vorüber, und nichts war geschehen. Ungewißheit blieb jetzt wie zuvor, kein Lebenszeichen war von ihr gekommen. Als ihm das Büro Lange & Messerschmidt mitgeteilt hatte, die Hochzeit könne aus mancherlei Gründen erst am sechsten Tage, vormittags elf Uhr, stattfinden, hatte er erleichtert aufgeatmet und gedacht: Gottlob, in fünf Tagen kann sich viel ereignen. Sie wird sich anders besinnen. Herr Eich wird auf sie einwirken. Aber nichts schien sich zu ereignen. Er stellte die Geduld seiner Anwälte auf eine harte Probe, zu allen Stunden fand er sich auf ihrem Büro ein, rief er sie an. Sie zuckten die Achseln. »Wir wissen ebensowenig wie Sie. Herr Eich war nie sehr mitteilsam. – Nein, wir haben nichts Neues erfahren. Wir bereiten die Hochzeit wie vorgesehen vor. – Nein, wir können Ihnen nicht sagen, ob Fräulein Eich noch in Berlin ist.« Und sie drückten ihm irgend etwasin die Hand, bloß um ihn loszuwerden: die Tischordnung oder das Programm der kirchlichen Feierlichkeiten.
Die Verhandlungen mit den Herren von der Redaktion des »Guten Rufes« waren zufriedenstellend verlaufen: es würde kein weiterer Artikel erscheinen. Übrigens war natürlich nicht mit den Herren vom »Guten Ruf« verhandelt worden. Diese Herren wiesen es weit von sich, mit solchen üblen Dingen zu tun zu haben. Sie öffneten die Spalten ihrer rechtlichen Zeitung nur solchen Artikeln, deren Material ihnen verbürgt war und wo das öffentliche Interesse es forderte. Im vorliegenden Fall hatten sie sich leider davon überzeugen müssen, daß sie einem gewissenlosen Betrüger aufgesessen waren, das Material war schlecht. Ein Mittelsmann erhob auf einem Anwaltsbüro – aber beileibe nicht bei den Herren Lange & Messerschmidt – eine größere Summe Geldes, quittierte als A. Schulze und verschwand für immer.
Nicht weniger günstig verliefen die Verhandlungen mit Dumala-Bomeyer. Der neugebackene Kommissar, der zu seiner Melone zurückgekehrt war, lauschte ruhig dem Bericht seines ehemaligen Fahrers. Er erregte ihn nicht, er sagte nur: »Als ich den Dreck las, hab ich mir gleich so was gedacht. Das bringe ich dir in Ordnung, mein Sohn.«
Er stand
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